Voll glokal: Generalsekretärin Sigrid Gareis, Foto: Manfred Wegener

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Sigrid Gareis ist die neue Generalsekretärin der Akademie der Künste der Welt

Die Wände strahlen in unberührtem Weiß, kein Plakat, kein Bild, kein Foto hängt an der Wand. Und die Möblierung ist mit zwei Tischen und drei Stühlen spartanisch. Hier, im dritten Stock des Kulturamtes, residiert seit kurzem Sigrid Gareis, die designierte geschäftsführende Generalsekretärin der Akademie der Künste der Welt. So lautet der Titel offiziell, Gründungs­intendan­tin trifft es aber doch eher.

 

Das Go für Gareis

 

Wie das Büro, so wartet auch die Akademie auf ihre Ausgestaltung. Nach dem Ratsbeschluss zur Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH und der Absegung des Etats von einer Mio. Euro bedeutet die Berufung der Generalsekretärin den entscheidende Schritt zum Startblock.

 

Das Interesse für das Fremde, das ist ein Grundzug der studierten Ethnologin. Zwischen 1990 und 2000 hat Sigrid Gareis beim Siemens Arts Program den Fachbereich Theater/Tanz aufgebaut. Anschließend stampfte sie als Gründungsintendantin das heute weltweit renommierte Tanzquartier in Wien aus dem Boden. Daneben begründete sie Tanz-Festivals in Greifswald und Moskau. »Ich habe mich immer in Bereiche begeben, die offen und innovativ waren und die meine Neugierde geweckt haben«, sagt sie, und währenddessen sind ihre Hände ständig in Bewegung, als ob sie jeden Satz mitformen wollte.

 

Sigrid Gareis ist eine Macherin, das ist offensichtlich. Doch alles andere als eine handzahme. So humorvoll und einnehmend sie im Gespräch wirkt, aus Wien weiß man, dass sie mit ihrem Qualitätsanspruch, ihrem Durchsetzungsvermögen und ihrer Kompetenz der lokalen Tanzszene, auch manchem Politiker kräftig vors Bein getreten und so das Tanzquartier zu einem der europaweit wichtigsten Tanzzentren  gemacht hat.

 

Um endlich loslegen zu können, braucht die Akademie erst einmal Mitglieder. Eine Findungskommission wird die ersten zwölf von insgesamt vierzig auswählen. Sigrid Gareis darf zwar nicht mitentscheiden, doch ihr ist wichtig, dass keine Honoratioren, sondern »aktive Mitglieder im Zenit ihrer Karriere« berufen werden, die aus allen Weltgegenden stammen und alle Sparten abdecken. Namen will sie keine nennen, die sollen erst im April bekanntgegeben werden.

 

Fellowship statt Stipendiat

 

Im Juni findet dann die erste Akademie-Sitzung in Köln statt, bei der sich die Mitglieder, so wünscht sich das Sigrid Gareis, in einer Lounge dem Publikum vorstellen. Bei diesem ersten Treffen dürften auch die ersten Stipendiaten bestimmt werden, die dann für längstens ein Jahr nach Köln kommen und Projekte realisieren.

 

»Ich würde eher von Fellows sprechen, weil dieses Programm mit einem monatlichen Gehalt von 2500 Euro, dazu Reise und Unterkunft gut bestückt und nur mit dem Künstlerprogramm der Villa Massimo in Rom zu vergleichen ist«, so die Generalsekretärin. Um diesen Ausnahmecharakter nicht zu verwässern und dazu eine vernünftige Betreuung sicherzustellen, würde sie gerne die vorgesehene Anzahl von 20 Fellows reduzieren.

 

Projekte und Veranstaltungen der Akademie sollen in Kooperation mit Kulturinstitutionen der Stadt oder mit Künstlern veranstaltet werden. »Wir sind eine dezentrale Organisation«, sagt Gareis und verweist auf ihre guten Erfahrungen beim Siemens Arts Program, wo sie immer mit Partnern zusammengearbeitet habe. Voraussetzung dafür sei, dass die Akademie sich in der Stadt, aber auch weltweit gut vernetzt.

 

Auch da dürfte Sigrid Gareis kaum Probleme haben, das hat sie in Wien vorgemacht. Und wenn sie mit ihrem schwäbisch-bayerischen Akzent — Sigrid Gareis stammt aus Illertissen bei Neu-Ulm — davon spricht, dass sie viel »response« von New York bis Tokio auf ihre Berufung bekommen habe, dann wirkt sie selbst wie eine leibhaftige Schnittstelle zwischen Bodenständig- und Weltläufigkeit. Nicht überraschend, dass sie eine Vorliebe für das Wort »glokal« hat.

 

»Transmissionsriemen« einer »Ideenwerkstatt«

 

Man fragt sich allerdings, wie eine derart dezidierte Macherin sich mit Vernetzung, Kontaktpflege, Organisation und Künstlerbetreuung bescheiden will. »Ich bin nur der Transmissionsriemen und treffe keine Entscheidungen, entscheiden werden die Künstler«, sagt Sigrid Gareis zurückhaltend. Kluges Understatement gehört zu einer ersten Selbstdarstellung.

 

Das betrifft auch die Aussage der 1959 geborenen Generalsekretärin, sie sei keine Intellektuelle. Andererseits hat sie zahlreich Bücher veröffentlicht, Diskussionsforen zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen kuratiert und gilt in der Szene als sehr kluge und konzeptionell denkende Tanzexpertin — mit klarem politischem Interesse: Die Akademie sieht sie denn auch »als Inkubator und Ideenwerkstatt mit einem dezidiert politischen Auftrag«.

 

Was das jenseits von Schlagworten wie »Entwestlichung des Blicks« oder  »Öffnung für globale Fragen« heißt, weiß sie selbst noch nicht genau und will es auch nicht wissen. Der Reiz liegt im Ungewissen. Und diese intellektuelle und ästhetische Offenheit kann Köln nur gut tun.