John K. Samson

Süßlicher Schmerzensmann

Die letzten Jahre haben viele frühere Hardcore- und Punk-Helden erlebt, die sich als Singer/Songwriter versucht haben – mit großem Erfolg. Denn das mit ihnen gealterte Publikum zieht mit, erkennt im neuen Song-Format – Akustikgeklampfe statt Verzerrer-Gewüte – das gleiche Anliegen, aber weniger anstrengend vorgetragen: Weltschmerz und Selbstbehauptung, das oft verzweifelte Ringen um zwischenmenschliche Verständigung und persönliche Autonomie.

 

Nun, das Genre der Singer/Songwriter wurde durch diese neualten Schmerzensmänner nicht unbedingt bereichert, früher überdeckte ja die Punk-Wut Schwächen im Songwriting – aber jetzt? So ganz ungeschützt? Die große Ausnahme ist John K. Samson.

 

Solo-Debut eines Ex-Punks

 

Vermeintlich persönliche Befindlichkeiten verknüpft er wie selbstverständlich mit Bildern gesellschaftlicher Entfremdung, und das alles ohne überwältigende Melancholie. Sein Song »One Great City« mit dem eindringlichen Refrain »I Hate Winnipeg«, er stammt von dort – und er kennt es wohl zu gut!, rührt zu Tränen, ohne rührselig zu sein.

 

Andere Stücke sind schon fast unverschämt naiv – eine Katze beklagt sich über ihr in Stumpfheit versumpfendes Herrchen –, aber wundersamerweise nicht einfältig. Und wenn er sich verrätselt gibt, dann rollt er nicht bedeutungsschwer mit den Augen. Samsons Songs, gesungen in leicht näselnder hoher Stimmlage, kommen ohne Geraune daher.

 

Bis 1997 war Samson Teil von Propagandhi – eine der großen Hardcore-Bands der letzten zwanzig Jahre (und wie alle großen Hardcore-Bands nervt sie natürlich). Danach gründete er The Weakerthans, in denen über E-Gitarren-Gedonner vermittelte Wut und unprätentiös zartes Songwriting sich in perfekter Balance hielten, seit zwei Jahren ist er vornehmlich solo unterwegs (wäre schade, wenn es die Weakerthans nicht mehr gäbe!).

 

Auf seinem gerade veröffentlichten Solo-Debüt »Provincial« (Grand Hotel van Cleef, wo sonst?!), spüren wir keine Punk-Wurzeln mehr. Das Songwriting ist lichtdurchflutet, wundersam federnd, geschmackvoll arrangiert ohne Widerhaken und Ösen. Kann sein, dass man so ein Album nicht noch mal hören will, weil es zu süßlich ist. Aber für den Moment ist es perfekt. Auf der Bühne ist Samson ein zurückhaltender, darin aber sehr souveräner Entertainer.