Pop back up!

Santigold hat das Duell mit dem Punchingball gewonnen

Was im Weg steht, muss überwunden werden, zur Seite getrampelt, plattgetanzt. »Don’t look ahead there’s stormy weather / Another road block on our way«, singt Santigold in »Disparate Youth«, einem Song, der sich wohlgemerkt nicht an eine »verzweifelte« (engl.: desparate) Jugend richtet. Die verbaute, stürmische Zukunft sieht Santigold gerade als Herausforderung. Für das Leben, das du haben willst, musst du eben auch kämpfen, ist die Botschaft der ersten Single ihres zweiten Albums »Master Of My Make-Believe«.

 

Vor über vier Jahren war Santigold wie eine von Plastikschmuck gezierte Galionsfigur aus dem Hybrid-Pop-Untergrund aufgetaucht. Sie hatte das, was für eine afroamerikanische Musikerin nach den üblichen Regeln des US-Entertainments eher nicht vorgesehen war: zwei College-Abschlüsse und einen Punk-Background. Und diese Stimme, mit der sie sowohl toasten, rappen als auch Ohrwurm­melodien singen kann.

 

Seit 2008 ihr Debüt erschien – ein buntes Patchwork aus New Wave, Dub, Indie-Rock und Ethno-Elektro – hat Santi White Songs für Christina Aguilera geschrieben, und mit Lykke Li, David Byrne oder Kanye West gesungen. Das Geschäftliche lässt sie mittlerweile von Jay-Zs Roc Nation Management regeln.

 

Aber White musste einige Steine aus dem Weg räumen, um ihr zweites Album aufzunehmen. An bestimmte Nebengeräusche des Erfolgs musste sie sich erst gewöhnen. Sie brauchte viel länger als erwartet, um neues Material zu schreiben.

 

Die Zusammenarbeit mit ihren alten Kumpels Switch, Diplo und John Hill – inzwischen gefragte Produzenten – wollte auch nicht so klappen wie beim ersten Mal: »Ich versuche, nicht zu viel darauf zu achten, was die Leute von mir erwarten oder was für eine Rolle ich spielen soll«, erklärt White im Gespräch. »Ich weiß, wer ich bin. Ich weiß, warum ich das mache. Trotzdem fühlst du dich manchmal runtergezogen, wie verprügelt. Aber es ist wie bei diesen Punchingbällen: Du schlägst auf sie ein, aber sie springen immer wieder zurück. So fühle ich mich gerade: Now I pop back up!«

 

So ist das aus einer kreativen Krise gewachsene Album auch zu einer kritischen Bestandsaufnahme geworden: »Das ist es eben, was Künstler machen: Wir schreiben über das, was passiert«, sagt White. »Teilweise geht es um mich selbst, teilweise um die Welt, in der ich lebe. Allerdings nicht mit der Haltung: ›Oh, eine politische Platte!‹ Es geht einfach um das, was ich erlebe und wahrnehme.«

 

Die Diagnose fällt dabei nicht besonders beruhigend aus. Höhepunkt ist in dieser Hinsicht der Song »The Keepers« mit seinem Refrain: »While we sleep in America / Our house is burning down.« Die Worte sind bitter, aus Santigolds Mund klingen sie aber geradezu hymnisch. Und machen fast Lust darauf, nach dem globalen Großbrand die Trümmer beiseite zu räumen.