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Die Filmdoku Ai Weiwei:

Never Sorry erhellt die Lebenswirklichkeit des dissidenten Künstlers

Ai Weiwei, geboren 1957 in Peking, ist der berühmteste chinesische Konzeptkünstler und Bildhauer unserer Zeit, geehrt durch Retrospektiven in Weltmuseen und die Teilnahme an der documenta12. Durch den frechen Einsatz von Social Media ist er bekannt wie ein »bunter Hund«, ein Mann, der historische Ming-Vasen für Performances fallen lässt, kurz: ein Popstar. Einerseits.

 

Ai Weiwei war und ist aber massiven Repressalien durch die Staatsmacht Chinas ausgesetzt. Am 3. April 2011 verschwand er spurlos, am 22. Juni wurde er nach 81-tägiger Haft frei gelassen, jedoch mit einem einjährigen Rede- und Ausreiseverbot belegt. Die Kunstzeitschrift artforum wählte ihn zum wichtigsten Gegenwartskünstler des Jahres 2011.

 

Über einen Zeitraum von drei Jahren (2008-2011) begleitete die amerikanische Filmemacherin Alison Klayman den Künstler. Ihre Dokumentation »Ai Weiwei: Never Sorry« (USA 2012) lässt Freunde und Kunstschaffende zu Wort kommen, doch im Fokus steht der Alltag Ai Weiweis: Die Kamera zeigt ihn beim Bloggen, bei der Arbeit mit seinen dutzenden Mitstreitern, im Gespräch mit seiner Mutter oder seiner Ehefrau; der Zuschauer teilt sogar die seltenen Momente des Spiels mit seinem dreijährigen (unehelichen) Sohn.

 

In Rückblenden erfährt er von Ais Vater Ai Qing, einem berühmten Dichter und Regimekritiker, der unter Mao Zedong zu zwanzig Jahren Arbeitslager verurteilt wurde – und von der eigenen künstlerischen Sozialisation 1981-1993 in den USA, wo sich Ai Weiwei u.a. in New York ein Apartment mit der Performer-Legende Tehching Hsieh teilt. 1994 kehrt er nach China zurück, publiziert sogleich drei subversive, verbotene Kunstbücher und kuratiert kritische Ausstellungen.

 

Eindrucksvoll schildert der Film die Recherche zur Solo Show »So sorry« (2009/10) am Münchner Haus der Kunst, die das Erdbeben von Sichuan 2008 zum Thema hat. Während des Ausstellungsaufbaus erleidet Ai eine Hirnblutung, verursacht durch die chinesische Polizei bei einem Übergriff in Chengdu. Direkt nach der Gehirnoperation in einer Münchner Klinik twittert er ein Foto mit der OP-Narbe. Nach seiner Freilassung aus der Haft 2011 beträgt die Zahl seiner Follower 130.000.

 

Jene Ausdehnung von Ai Weiweis Kunst in die wirkungsmächtige Sphäre der Social Media macht Klaymans Film deutlich, der ein entschiedenes Plädoyer für Meinungsfreiheit und Selbstverantwortung ist – in der Kunst wie in ihrer gesellschaftlichen Erweiterung.