iPad-Identitäten

Was geht in Schottland? Das Festival theaterszene europa liefert Antworten

Theater als Ausflucht vor dem Alltag und Heim für unterhaltsame Berieselung: Die schottische Company Fish & Game schmeißt die herkömmliche Vorstellung von Bühnenkunst über Bord, drückt den Zuschauern ein iPad in die Hand und setzt sie einzeln in einen kleinen leeren weißen Raum und damit direkt ins Hi-Fi-Theater.

 

In ihrer Performance »Alma Mater« ist nicht die Bühne Handlungsmittelpunkt, sondern das Display. Fish & Game holen das Publikum aus der Passivität – und machen es zum Akteur. Indem der Zuschauer den wortlosen Anweisungen der Bildschirm-Darsteller folgt, taucht er in eine imaginative Kinderwelt und kann via Pad sogar fliegen. 

 

Die 20-minütige Live-Art-Installation (zu sehen von 27.5. bis 1.6.), in der Film und Realität verwischen, ist Teil des diesjährigen binationalen Festivals »theaterszene europa« in der studiobühneköln. Die 1987 gegründete Festivalreihe hat sich den interkulturellen Austausch zwischen Theaterschaffenden in Europa zum Ziel gesetzt und findet nach Kooperationen mit u.a. Finnland, Polen und dem gesamten Balkan nun in Schottland einen weiteren Partner. 

 

»Wir haben einige Gruppen aus dem Programm des Edinburgh Festival Fringe, dem größten europäischen Theaterfestival, ausgewählt. Die Teams repräsentieren für uns vor allem die Vielseitigkeit der Theaterformen in Schottland«, erklärt Tim Mrosek, Mitorganisator von theaterszene europa und Dramaturg an der studiobühneköln.

 

Jüngste Debatten zu einer möglichen schottischen Unabhängigkeit seien außerdem mitbestbestimmend gewesen: »Politischer Umbruch bedeutet meist auch Bewegung in der Kunst.« Schottland ist als Teil Großbritanniens mit dem Schwergewicht England auf Identitätssuche. Gleichzeitig muss es sein globales Profil definieren. 

 

Die Studiobühne hat insgesamt zwölf Gruppen eingeladen – fünf schottische, sieben deutsche –, um Einblicke in die unterschiedlichen Herangehensweisen der freien Theaterszenen zu gewähren. Die schottische Szene ist weniger von städtischen und in-stitutionellen Theaterstrukturen geprägt, als von staatlicher Förderung und vielfältigem Sponsoring (siehe Interview). Die Performances wenden sich häufig ab von der Bühne hin zu interaktivem Theater. Darin besteht allerdings eine Ähnlichkeit mit dem freien Theater in Deutschalnd. 

 

Während »Dark Matter« von Vision Mechanics (Edinburgh; 28., 31.5.) seine Zuschauer fern von der Bühne ins Freie und über Kopfhörer in eine Soundlandschaft entführt, erzählt die Gruppe Scandal Theatre (Glasgow; 29.5.) mit »The translator’s dilemma« in einer Hörsaalsituation mit Beamer die Geschichte einer jungen Übersetzerin und ihren Kampf gegen Asbestproduktion.

 

Wieder raus aus dem Theater geht dann das Quartett von Bright Night International (Glasgow; 1., 2.6.). Mit »Wee Jump« greifen sie sie die Sportart auf. Einen Blick auf die schottische Tanzszene bietet das Festival mit drei kürzeren Stücken des Scottish Dance Theatre (Dundee; 26.5., Eröffnung). 

 

Die deutsche Auswahl bietet Gastspiele, die interessante Vergleichsmöglichkeiten für die Kölner Szene bedeuten: das Performanceduo Klüsener &Greif (Gießen), das Kollektiv Invisible Playground (Berlin), die Live-Hörspiel-Gruppe Candlelight Dynamite (Berlin), die Choreografinnen und Performerinnen Deter/Müller/Martini (Berlin), das Post Theatre (New York / Berlin / Tokyo) und die Schweizer von Mass & Fieber Ost.