Hot oder Schrott: das »Kunst und Kulturzentrum« Odonien | Foto: Manfred Wegener

Odonien: Aufstand der Party-People

Wegen fehlender Sicherheitsstandards droht Odonien in Ehrenfeld geschlossen zu werden. Kultur und Teile der Politik sind empört und unterstützen den Betreiber

 

Es herrscht Betrieb gegenüber vom Puff an der Hornstraße. Junge Eltern im schlabberigen Sonntags-Outfit, Kinder mit Rastazöpfen, übernächtigte Partygänger, Politiker im Anzug. Vor der schmalen Auffahrt zu Odonien stehen am 17. Juni bei strahlendem Sonnenschein etwa zweihundert Menschen. Sie fordern den Erhalt des Ehrenfelder »Kunst- und Kulturzentrums«, das von der Schließung bedroht ist.

 

Virtueller wie realer Protest

 

Bereits am 27. Mai demonstrierten knapp tausend Menschen auf dem Rudolfplatz für den Erhalt von Odonien und einen »Fluchtweg für die Kultur«. Vier Tage zuvor hatte das Bauaufsichtsamt das Zentrum geschlossen, weil nötige Sicherheitsstandards, darunter ein zweiter Fluchtweg für Veranstaltungen bis 1000 Personen, nicht erfüllt waren. Auch der Lärmschutz sei nicht gegeben, hieß es.

 

»Liebe Stadt Köln, mit Verlaub — Du bist ein Arschloch«, war eine der Reaktionen auf Facebook, die stellvertretend für den Furor steht, der nach der Schließung losbrach. Und obwohl die Informationslage äußerst dünn war, hatten bereits wenig später 4000 Menschen eine Online-Petition unterzeichnet, bis heute sind es mehr als 7000.

 

Der teilweise wirre Text mit der Überschrift »Das Odonien stellt kein Sicherheitsrisiko dar« raunt: »Demnach scheint es sich hierbei um persönliche Interessen einiger Personen zu handeln, welche eben diese Subkultur nicht anerkennen und in der richtigen Position sind mit Leichtigkeit Schließungen oder zu mindestens Erschwerungen des Betriebs zu bewirken.« Es ist offenkundig leichter, an eine Verschwörung zu glauben, als daran, dass der Odonien-Betreiber Odo Rumpf gesetzliche Auflagen nicht erfüllt.

 

Die Aufregung ist auch deshalb so groß, weil ähnlich ausgerichtete Subkultur- und Partybetriebe in Ehrenfeld zuletzt schließen mussten. Bei Papierfabrik und Sensorclub am Grünen Weg lief die Zwischennutzung aus, dort werden nun GAG-Wohnungen gebaut. Das bei Studenten beliebte Underground könnte im Rahmen der Neuplanung des Heliosgeländes ebenfalls verschwinden oder umziehen.

 

Kulturzentrum oder Partylocation?

 

Typisch für diese Orte: einfache Ausstattung, lässige Attitüde, alternatives Flair, Flaschenbier. Auch der Erfolg von Rumpfs Odonien rührt daher: Der mit Metall-Skulpturen gesäumte Open-Air-Bereich und die im Halbdunkel liegenden Verschläge, aus denen die Bässe dröhnen, wirken anziehend auf jene, die genug haben, von durchkonzipierten Events. Hinzu kommt die Nachbarschaft: die Industrie-Romantik des angrenzenden Bahngeländes sowie das anrüchige Flair des Bordells.

 

Odonien gilt als »Kunst- und Kulturzentrum«, in dem der Künstler Odo Rumpf Skulpturen fertigt, einen Biergarten betreibt und wo befreundete Künstler Ateliers haben. Auf dem Gelände finden außerdem Partys, Konzerte und Lesungen statt — bis zu achtzig im Jahr, rechnet Rumpf vor. Häufig überlässt er dabei das Areal anderen Veranstaltern. »Ich stelle die Infrastruktur und mache die Gastronomie«, sagt Rumpf. So gastierte auf dem Gelände an der Hornstraße auch das »Sommerblut«-Festival mit einem Stück des Wander-Theaters »Ton und Kirschen«. Seit 2010 tritt Rumpf auch selbst als Veranstalter auf.

 

Vorschlag der Stadt trotz Mängel

 

Laut Stadt war Rumpf seit einem Dreivierteljahr informiert, dass Sicherheitsmängel vorlägen, habe aber nicht gehandelt. Eigentlich, so eine Sprecherin der Stadt, hätte die Bauaufsicht schon früher eingreifen können. »Für das, was da bisher gelaufen ist, gibt es keine Genehmigung.« Der Betrieb war demnach illegal. Warum die Stadt erst jetzt tätig wurde, bleibt allerdings unklar.

 

Die Stadt hat Rumpf unterdessen ein »Stufenmodell« vorgeschlagen: mit bis zu 300 Gästen können Veranstaltungen weiterhin durchgeführt werden, wobei allerdings jeweils Sondergenehmigungen eingeholt werden müssen. Für 500 Gäste ist ein Bauantrag notwenig, der unter anderem getrennte Einfahrten und Fluchtwege vorsieht; zudem muss die Beleuchtung verbessert werden, auch ein Sicherheisdienst wird dann nötig. Für tausend Gäste ist der zweite Fluchtweg unabdingbar, sagen Feuerwehr und Bauaufsicht und berufen sich auf die Sonderbauverordnung NRW.

 

Politik bemüht sich

 

Die drohende Schließung rief auch schnell die Politik auf den Plan: Die Ehrenfelder SPD und Grünen beantragten bereits wenige Tage danach, Odonien zu erhalten und Zwischenlösungen oder Ausnahmeregelungen zu prüfen. Als Vermittler hat sich Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD) eingeschaltet: »Ich hänge mich rein, weil ich Odonien als Teil der Ehrenfelder Kultur sehe. Das ist eine der letzten Subkulturstätten, die wir hier haben«. Die rechtlichen Vorschriften müssten zwar unbedingt eingehalten werden, doch Wirges spricht auch von »Abwägungsprozessen«.

 

Er hat versucht, die Betreiber des benachbarten Großbordells zu bewegen, über das eigene Gelände einen zweiten Fluchtweg für Odonien einzurichten. Man war sogar bereit, anstelle eines Eintrags ins Grundbuch nur einen langfristigen Gestattungsvertrag zwischen den Nachbarn zu akzeptieren. Doch von den Bordellbetreibern kam ein unmissverständliches Nein. Dort ist man von Rumpfs »Freistaat für Kunst und Kultur« genervt: Gäste sollen Bordellgäste belästigt und deren Autos angepinkelt haben. Die Stadt bestätigt, dass zahlreiche Beschwerden vorlägen.

 

Pro-Odonien Gutachten abgelehnt

 

Rumpf dagegen sieht sich von der Stadt fälschlich in Haft genommen für Katastrophen wie bei der Duisburger Loveparade oder kürzlich in einem Oberhausener Shopping-Center. »Dass alle sensibilisiert sind, ist vollkommen richtig, man muss aber genau hingucken«, sagt er. Um seine eigene Auslegung zu stützen, hat er zwei Gutachten bei der Stadt vorgelegt, ein Evakuierungskonzept des Ingenieurbüros Crowd Control Lopez und ein Brandschutzkonzept des Ingenieurbüros Uhlenberg, die allerdings von der Feuerwehr und Bauaufsicht nicht akzeptiert werden.

 

Die Gutachten sollen Bedenken zerstreuen und zielen auf eine Nutzungsänderung des Geländes.  Bisher firmierte Odonien als gewerbliche Freifläche mit Schankerlaubnis und bei Bedarf beantragten Sondergenehmigung für Veranstaltungen. Jetzt soll daraus eine Versammlungsstätte im Freien mit dauerhafter Nutzung werden.

 

Bahn wartet auf Angebot

 

Damit in Zusammenhang steht offensichtlich, dass Odo Rumpf das Gelände, das derzeit der DB Netz, einer Tochter der Bahn AG, gehört, kaufen möchte. »Ich bin in Verhandlungen«, sagt Rumpf. Bei der Bahn AG weiß man davon allerdings nichts.  »Wir sind zwar grundsätzlich bereit, das Gelände zu veräußern«, sagt ein Sprecher der DB Mobility Logistics in Düsseldorf. Allerdings bestehe die Bahn auf einem Wegerecht, das den Zugang zu den Gleisanlagen sichert.  Bisher sei das Gelände nicht öffentlich ausgeschrieben, so der Bahnsprecher. Vor einem Jahr habe sich allerdings ein Interessent gemeldet, dessen Namen man nicht nennen dürfe. Er habe ein Angebot angekündigt, auf das man bis heute warte.

 

Derweil geht der Kampf weiter: Der Verein »Solarvogel e.V.« hat eine Odonien-Benefizveranstaltung für den 8. Juli angekündigt und dafür 3350 Euro aus dem Etat der Bezirksvertretung Ehrenfeld beantragt — im Vorstand des Antragstellers sitzt auch Odo Rumpf. Für den Ehrenfelder Vize-Bezirksbürgermeister Ralf Klemm hat das kein Geschmäckle. Schließlich, so der Grüne, unterstütze der Bezirk auch andere Vereine, in denen Unternehmer im Vorstand säßen.

 

Doch aus den Kreisen der Politik ist unter der Hand auch Kritik an Rumpf zu hören. Viele sehen ihn in erster Linie als umtriebigen Unternehmer, der allerdings ein für Ehrenfeld wichtiges Angebot geschaffen hat. Ähnliches hört man auch aus der Veranstalterszene. Odonien sei eine reine Parytlocation und deswegen sei der Aufschrei lächerlich, sagt ein Veranstalter. Aus der Szene gehe dort niemand mehr hin.

 

Streit um Klischees und Regelwerk

 

Die Auseinandersetzung um Odonien beinhaltet eine Reihe von Klischees: Hier die gute bewahrenswerte Kunst- und Kulturstätte, dort das moralisch verwerfliche Bordell. Die Verwaltung hat die Rolle des rücksichtslosen Paragrafenreiters und die Politik darf sich als Kümmerer betätigen. 

 

Odonien ist ein wichtiger Partyort, doch mit dem Schlagwort von der »Kultur« oder »Subkultur« wird ein Kokon der Unberührbarkeit um das Areal gelegt. Selbst Sicherheitsbestimmungen sollen hier nicht gelten. Kommen dann auch noch Schlagworte wie »Einsparung« oder »Schließung« dazu, ist die Hysterisierung des Konflikts vorprogrammiert. Odonien ist letztlich ein kommerzieller Party- und Veranstaltungsort. Nicht mehr und nicht weniger. Als solcher ist er wichtig für Köln. Es muss aber nicht alles immer gleich »Kultur« sein, um bewahrenswert zu sein.

 

Benefizveranstaltung »Rettet Odonien«, 8.7., 14–22 Uhr, Eintritt: 5 Euro