For a better Cologne

Ausstellungen, Vorträge, Exkursionen, Workshops und künstlerische Interventionen: Das 4. Forum aktueller Architektur »plan 02« zeigt eine Woche lang, wie Köln in Zukunft aussehen könnte. Sabine Oelze hat das Programm studiert und nicht nur Utopisches entdeckt.

Kein Mut zu Visionen bei der Stadt Köln

Städtebau in Köln – den meisten graust es da nur. Schon seit Jahrzehnten mangelt es an visionärem Mut, wenn es um die Planung oder die Vergabe von Projekten geht. Mal bestimmt die Katholische Kirche, wie und ob Architekten ihre Pläne realisieren dürfen. Mal werden Wettbewerbe nur zum Schein ausgeschrieben und die Vorhaben sind schon längst unter der Hand vergeben. Auffällig ist die kölsche Vorliebe, Einkaufszentren, Museen und Büroräume in sanktionierte Hüllen, respektive »Klötze« zu pressen und so auf fatale Weise Gebäude in protzig glatte Monumente zu verwandeln, statt »dem architektonisch nicht mehr gestaltbaren Systemzusammenhang immerhin in Chiffren Ausdruck zu verleihen«, wie Jürgen Habermas es der Architektur der 80er Jahre zugestand.

Gegenwehr

Insbesondere diese Vorliebe produziert neuerdings zunehmend Gegenwehr – ein Beispiel dafür ist der Protest gegen den Abriss des Josef-Haubrich-Forums und die daraus entstandene Initiative »Nö, nö« rund um Rosemarie Trockel, die künftig wie eine Kulturpolizei die Stadtoberen bei Überschreitungen zurückpfeifen will. Da kommt das Schwerpunkt-Thema »Architektur im Spannungsfeld des urbanen Kontextes« des Festivals plan 02 wie gerufen. Ziel ist es, Städtebau wieder stärker zu einer gesellschaftlichen Angelegenheit zu machen.

plan 02 thematisiert Kölner Architekturschwächen

In circa 40 Ausstellungen, Vorträgen und Interventionen sollen eine Woche lang Fragen zu Architektur in Köln öffentlich zur Diskussion gestellt werden – mit einem so breitgefächerten Programm zwischen Theorie, Praxis und Kunst, dass eine Vorschau zwangsläufig nur beispielhaft sein kann. Allen voran legt der Bund Deutscher Architekten, BDA, mit seiner Installationsreihe »Hahnenstraße – Raum der Zukunft« einen Finger in eine offene Architekturwunde: die Ost-West-Achse Kölns zwischen Heumarkt und Rudolfplatz. Für »plan 02« versucht der BDA, die alte Idee einer Neugestaltung wiederzubeleben: Künstler und Architekten werden mit Installationen intervenieren und in der »Brücke«, dem diesjährigen Festival-Zentrum von plan 02, werden aktuelle Entwürfe und Modelle neben Konzepten eines Wettbewerbs aus dem Jahr 1992 präsentiert.

Fußgängerfeindliche Metropolen

Doch nicht nur kölschen Architekturfragen widmet sich plan, sondern setzt auch auf Blicke zu anderen Metropolen: Ebenfalls mit einer Ausstellung in der Brücke tritt das Italienische Kulturinstitut den Gegenbeweis dafür an, dass Rom eine Stadt sei, in der man sich als Fußgänger genauso deplaziert fühlt wie ein Geisterfahrer auf der Autobahn. Drei Entwürfe von Plätzen oder Fußgängerbrücken, deren Realisierung im kommenden Jahr beginnen wird, sind dort zu sehen. Zurück zu den Anfängen der 50er Jahre führt eine Riphahn-Ausstellung des Architekturforum Rheinland: Präsentiert werden verschiedene Projekte des Kölner Architektenstars, dessen Bauten wie die genannte »Brücke« oder die Oper zu den wenigen Gebäuden in Köln gehören, deren Bedeutung über die Jahre stabil geblieben ist.

Kränkelnde Verkehrsachse

Hoch gepokert wurde in den letzten Monaten auch um die Tieferlegung der Nord-Süd-Achse. Aus verkehrstechnischen- und Kosten-Gründen wurde die Teil-Untertunnelung zwischen Komödien- und Cäcilienstraße, die die Stadt Köln gemeinsam mit dem WDR durchführen wollte, vorerst auf Eis gelegt. Der Beitrag »KyotoBar« beleuchtet diese Schwachstelle kölscher Bauunkultur, indem er ein Teilstück der Nord-Süd-Fahrt, den Platz vor der Stadtmauer und einem jüngst fertiggestellten Neubau in der Kyotostraße, vom Verkehr abschirmt und durch Lichtinstallation neu erfahrbar macht.

Realistisches und Utopien für ein anderes Köln

Aber nicht nur an den großen Verkehrsachsen wird während des Forums sichtbar, dass und wie Köln anders aussehen könnte, würden sinnvolle Projekte nicht oft endlos verschleppt oder zweifelhafte über’s Knie gebrochen. Nicht alle vorgestellten Ideen orientieren sich an zeitnaher Realisierbarkeit, aber gerade das ist auch das Besondere. Zudem es sich auch bei utopisch anmutenden Vorschlägen nicht nur um abwegige Ideen handelt. Es ist Sommer und Dirk Melzer hat die perfekte Lösung für den Kölner Bade-Notstand parat. Ginge es nach den Phantasien des Landschaftsarchitekten, dann würden wir schon längst auf »Strömungsrutschen mit Aqualift« durch den Rhein treiben.
Ein Projekt gleichen Namens hat Melzer schon im letzten Jahr im Rahmen des BDA-Projekts »Köln – Stadt am Wasser« präsentiert. Während seine Utopie von einer Strömungsrutsche im Rhein vielleicht etwas über das Ziel hinausgeschossen war, schlägt er diesmal gemeinsam mit der Architektin Yvonne Stein ein realistischeres Projekt vor. Das Badeboot Olympia ist ein Boot mit einem schwimmenden 50 Meter Bad, das wie ein Katamaran auf Leichtbeton-Pollern auf dem Wasser gleitet, im Winter als Hallenbad fungieren kann und sich im Sommer – bequem wie ein Cabriolet – schnell in ein Freibad verwandeln lässt. Es besteht aus verschiedenen Modulen, die beliebig erweiterbar sind. Wenn sich die deutschen Städten 2012 für die Schwimmwettkämpfe bewerben, könnte das Badeboot Olympia von Austragungsort zu Austragungsort schippern. Sogar eine Werft ist schon gefunden, so dass die Pläne theoretisch jederzeit umgesetzt werden können.

Blütenkelche statt Parkbank

Ähnlich volksnah gibt sich Ute Reehs »Baumscheibenbüro«, das sich während plan 02 in der Galerie Borgmann Nathusius einquartiert. Dort widmet man sich der Verbreitung von rosa-orangen Baumscheiben, einer Mischung aus Skulptur und Landschaftsmöbel. Die 3 bis 4 Meter großen, nachgiebigen Polyurethan-Schalen legen sich wie riesige Blütenkelche um dicke Baumstämme – eine echte Alternative zur schnöden Parkbank oder Hängematte.

Erneute Bausünden?

In Köln sind die historischen architektonischen Schönheiten schon allein kriegsbedingt rar, aber auch die Liste nachträglich hinzugefügter Bausünden ist lang. Ob der Neubau von Prof. Petry + Partner eine weitere ist oder ob das Hotel und Geschäftshaus am Hollenzollernring 7-11 mehr hergibt als die Presseinformation, die ein Gebäudeensemble ankündigt, das »Erlebnisgastronomie, Hotel und virtuelle Spielwelten unter einem Dach vereint«, auch davon kann man sich während plan 02 selbst ein Bild machen.

Videoarbeiten der Kölner Kunsthochschule für Medien

Vielversprechender klingt da schon das Vorhaben, die gläserne Fassade am 25.9. abends und nachts als Screen für Videoarbeiten von Absolventen der Kölner Kunsthochschule für Medien zu nutzen.

Internetworkshop und »schwache Orte«

Nicht nur Architekten nutzen plan, um mit ihren Projekten an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch das Museum für Angewandte Kunst macht mit und zeigt eine Ausstellung zum legendären Architekten Buckminster Fuller. Neben architektonischen Fragestellungen erweitert der Internetworkshop »Köln bei Nacht/ Stadt bei Nacht« das Themenspektrum von plan 02. Indirekt gehört dazu auch die Ausstellung im Büro für Fotos. Dort zeigt Dirk Königsfeld neue Nachtaufnahmen, eine Arbeit, mit der der Kölner Foto-Künstler vor drei Jahren begonnen hat. Seitdem begibt er sich in Paris, Berlin, Basel oder Köln immer dann, wenn es dunkel wird, auf die Suche nach künstlich beleuchteten Orten. Dabei beweist Königsfeld ein Faible für »schwache Orte«. Denn zu sehen sind keine schillernden Vorzeige-Bauten, sondern banale Straßenecken oder Ausschnitte gesichtsloser Häuserfassaden. Architekturen, in denen es wenig menschelt. Da steht ein säuberlich einbetonnierter blätterloser Busch vor einem grauen Mietshaus mit rolladenverrammelten Fenstern. Obwohl ohne Extra-Licht aufgenommen, schaffen die Bilder die Atmosphäre einer filmähnlichen Kulissen-Welt. Und die Tristesse glatt gefugter Kachel-Fassaden oder abweisender Garagentore erhält plötzlich einen unwirklichen glamourösen Touch. Die Arbeiten schälen die Grenzen der Architektur heraus und zeigefingern zugleich auf ihren wichtigsten Bezugspunkt: den Menschen.

Info:
plan 02 – Forum aktueller Architektur in Köln:
20.-27.9. 35 Ausstellungen an unterschiedlichen Orten in der ganzen Stadt. Organisatoren: Sabine Voggenreiter, Kay von Keitz
Eröffnung: 20.9., 18 Uhr, ab 22 Uhr Fest am »meeting point« von plan 02, Ort: Die Brücke, Hahnenstraße (ehemaliges British Council). Die meisten Ausstellungen sind vom 21.-27.9.
zwischen 13-21 Uhr geöffnet. Ein Katalog im Pocketformat liegt an allen Veranstaltungsorten aus. Ab Anfang September gibt es detaillierte
Infos unter: www.plan-project.com und www.
koelnarchitektur.de