Ein Plädoyer gegen die Ehe

Joe Knipp inszeniert Bergmanns Szenen einer Ehe am Sachsenring-Theater

Die Ehe zerstört alle Emotionen, sie verhindert ein glückliches Leben und bringt nichts als Streitereien und Lethargie mit sich. Sie ist Garant für Unzufriedenheit und gegenseitiges Betrügen – so das Fazit von »Szenen einer Ehe«.

 

Ingmar Bergmanns Film aus dem Jahr 1973 ist ein Klassiker – so erfolgreich, dass er in mehreren Fassungen erschien. Vor dreißig Jahren provokant und unerhört: Marianne und Johann, das bürgerliche Vorzeigepaar, streitet sich über schlechten und zu wenig Sex, über den Unsinn der Ehe, er verlässt Hals über Kopf die Familie wegen einer Affäre. 

 

Womit kann »Szenen einer Ehe« heute aufwarten? Mit nur zwei Darstellern zeigt Regisseur Joe Knipp, dass er tief zu bohren vorhat, sich auf das Wesentliche, die Dialoge, konzentriert. Knipp bleibt textlich nah an Bergmanns Drehbuch – steigt jedoch später ein. Er verzichtet gänzlich auf die Darstellung der hübschen Fassadenwelt Mariannes und Johanns. Seine Inszenierung beginnt dort, wo die Unzufriedenheit bereits greifbar ist.

 

Richard Hucke spielt einen Johann, der von Beginn an eine Mauer aus Kälte und Antipathie um sich herum aufbaut. Man möchte ihm die Bierflasche, aus der man im TAS-Zuschauerraum gemütlich trinken darf, an den Kopf schleudern. Er ist konsequent abstoßend. Aurélie Thepaut spielt die Marianne facettenreich. Sie wirft sich ihrem Mann körperlich und verbal an den Hals.

 

Unterwerfung um des lieben Friedens willen, um des schönen Scheins willen, um der Sicherheit willen? Erst als Johann vor der Tür steht und das Scheitern seiner Affäre einräumt, ist sie stark, will zeigen, dass sie ihr Leben im Griff hat, auch ohne ihn. Doch was ist eigentlich Stärke? Für die Ehe kämpfen? Loslassen? Kann es darum in einer Beziehung gehen – Stärke zu zeigen? Es bleibt das klassische Bergmann-Gefühl, dass Marianne und Johann in ihrem Miteinander ausschließlich darum bemüht sind, dem anderen die eigene Übermacht zu demonstrieren. 

 

Gut zwei Stunden lässt Knipp den beiden Zeit zu diskutieren, heftig zu streiten, sich wieder – ausschließlich körperlich – anzunähern, auszuloten, was geht und was nicht. Eine psychosoziale Studie, die, lässt man das bürgerliche Setting beiseite, heute genauso viel Stoff zum Grübeln bietet wie in den 70er Jahren.

 

Knipp inszeniert durch das Kontrastieren von Johanns Prolltum und Mariannes Unterwürfigkeit zu Beginn oft Komik, wo im Film schon Melancholie und Nachdenklichkeit dominieren. Im Publikum sorgt das für viele Lacher, die sicher auch gewollt sind. Eigentlich schade – die zweite Hälfte zeigt sehr viel mehr Brisanz.