Angriff auf die Stehplätze

Christian Steigels hält Geisterspiele zu Beginn der neuen Saison für ein alarmierendes Signal

Nach 15 langen Jahren ist es Ende August wieder soweit: Fortuna Düsseldorf und Borussia Mönchengladbach treffen in einem Pflichtspiel aufeinander. Mit einem Schönheitsfehler: Der DFB hat die Fortuna wegen des Platzsturms in der Relegation zu einem Geisterspiel ohne Zuschauer verurteilt. Auch der 1. FC Köln bekommt die neue Härte des DFB zu spüren: Zum ersten Heimspiel gegen Sandhausen dürfen wegen der Rauchbomben im Spiel gegen München nur 22.000 FC-Fans dabei sein. Vor dem Hintergrund eines ligaunabhängigen Zuschauerschnitts von mehr als 40.000 in den vergangenen Jahren ist auch das ein spürbares Urteil.

 

Köln und Düsseldorf sind keine Einzelfälle. In den ersten Wochen der neuen Saison gibt es gleich sechs Ganz- oder Teil-Ausschlüsse in den Profi-Ligen, mehr als in den vergangenen acht Jahren zusammen. Eine Entwicklung, die unbedingt abzulehnen ist. Denn eine Lösung des Gewaltproblems und eine Annäherung von Fans, Vereinen, Verband und Öffentlichkeit wird nicht erreicht und, schlimmer noch, nicht angestrebt.

 

Geisterspiele sind unfair, da sie dem Prinzip der Sippenhaft folgen: Der mit Abstand größte Teil der Menschen, die ausgesperrt werden, hat nichts verbrochen. Neben den unbeteiligten Düsseldorfern werden auch die Gladbacher Anhänger mitbestraft. Man kann, man muss davon ausgehen, dass eine Kollektivbestrafung — gerade bei einem derart emotionalen Derby — nicht deeskalierend wirkt, sondern vielmehr Frust produziert. Gladbacher Fanprojekte haben schon angekündigt, trotzdem nach Düsseldorf zu reisen. Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert, vermutlich auch in Köln.

 

Warum spricht der DFB die Strafen aus? Zum einen aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit. In den vergangenen Monaten wurde ein diffuses Drohszenario zunehmender Fangewalt entworfen, das in der Skandalisierung des Düsseldorfer Platzsturms und Auftritten wie dem von Johannes B. Kerner, der in der ARD mit einem Bengalo eine Kinderpuppe anzünden durfte, bizarre Höhepunkte fand. Mit den Urteilen und den bei der Sicherheitskonferenz Mitte Juli in Berlin beschlossenen verschärften Repressionen folgt der DFB den Medien und deren undifferenzierter Bewertung der Geschehnisse.

 

Es braucht nicht viel Fantasie, sich auszumalen, dass der DFB, und das ist der zweite Grund für die Geisterspielflut, eine Entwicklung vorantreibt, an deren Ende ein Eingeständnis steht: Man habe alles versucht, werde der Gewalt aber nicht Herr und greife nun zur ultima ratio: der Abschaffung der Stehplätze. Bei der Konferenz in Berlin — die übrigens ohne Beteiligung von Fanvertretern stattfand — wurden Stehplätze nur als momentan nicht verhandelbar erklärt. Mit dem Zusatz, dass auch dieses Bekenntnis keine endlose Schleife sei.

 

Eine Abschaffung wäre ein herber Schlag gegen den Fußball. Denn der findet nicht nur auf dem Rasen statt, sondern auch auf den Rängen. Welche Regeln dort gelten, muss über den Dialog, nicht über Strafen entschieden werden.