Museum Haubrich, Köln

Das Stifterpaar Ludwig ist in Köln eine feste Größe. Wer aber

war noch gleich Josef Haubrich? Ein Gespräch mit der Kuratorin Julia Friedrich über den großen vergessenen Mäzen

Manchmal ergeben sich zwischen zeitnahen Ereignissen an verschiedenen Orten feine Bezüge. In der schnellen Folge kultureller »Events« scheinen plötzlich die großen historischen Linien auf, die uns vergegenwärtigen, wie »Heute« wurde was es ist.

 

Kasper Königs Ausstellung »Vor dem Gesetzt« rückte im Frühjahr die Nachkriegskunst der 50er Jahre in den Blick. Das Wallraf-Richartz-Museum bereitet derzeit seine große »Sonderbund«-Schau vor, eine Rekonstruktion jener wegweisenden Ausstellung, mit der die Moderne vor hundert Jahren in Köln ankam.

 

Bilder, die auch die Umstände eines schier unglaubliches Ereignisses veranschaulichen: 1946 – Köln liegt noch in Trümmern – schenkt der Rechtsanwalt Josef Haubrich seine wertvolle Sammlung moderner Kunst der Stadt Köln. Er hatte gesammelt und hinübergerettet, was hier unbekannt oder als »entartet« diffamiert worden war – und stiftete so den Grundstock des heutigen »Museum Ludwig«. Julia Friedrich, Kuratorin am Haus, hat die Neupräsentation der Sammlung vorbereitet.

 

Julia Friedrich: In Köln begegnet Haubrich einem ja ständig: Als ich kam wurde gerade die Haubrich-Kunsthalle abgerissen, hier im Haus steht »Sammlung Haubrich« an der Abteilung Moderne. Schließlich ist auch die Frage der Provenienzforschung aktuell, wie ging das eigentlich genau mit diesen Ankäufen während des Nationalsozialismus... Jetzt wollen wir ganz speziell den Fokus auf Haubrich lenken, die Biografie, die Zeit, den ganzen Komplex der »entarteten Kunst«. Was bedeutet es, dass wir heute eine Sammlung von Expressionisten in einem deutschen Museum sehen – das ist nicht so selbstverständlich, sondern eine steinige und brüchige Geschichte.

 

Josef Haubrich, erzählt Friedrich, 1889 geboren, stammt aus gediegen-bürgerlichen Kölner Verhältnissen. Er studiert Jura, kommt aber früh mit Kunst in Berührung, sucht die Auseinandersetzung mit den alten Meistern, schreibt Kunstkritiken für die sozialdemokratische Rheinische Zeitung und ist zunehmend fasziniert von der neuen, extrem umstrittenen Kunst. Er sieht die bedeutenden Ausstellungen der Zeit, auch 1912 die Sonderbund-Schau in Köln, »eine folgenschwere Offenbarung«. Das Sammeln beginnt klein, mit älteren Werken, Asiatika, dann den ersten Ankäufen von »Modernen«.

 

StadtRevue: Was kennzeichnet Haubrichs Sammeltätigkeit, wie geht er vor?

 

Julia Friedrich: Sehr interessegeleitet, man erkennt persönliche Vorlieben: Konstruktivismus so gut wie null, kein Picasso, das alles ist ausgeklammert. Er kauft die Expressionisten – Brücke, nicht Blauer Reiter! – und die Neue Sachlichkeit. Schon das war gewagt! Als erstes modernes Ölgemälde erwirbt er Otto Dix’ Porträt »Doktor Hans Koch« – das muss man erstmal machen, das hängt man sich ja nicht unbedingt zuhause über die Couch.

 

StadtRevue: Welche Kunst hing denn bei ihm zuhause? Gibt es Fotos im Nachlass?

 

Julia Friedrich: Na ja, der Nachlass war im Stadtarchiv – also erstmal verloren, deswegen ist auch einiges unter Vorbehalt. Wir haben mit dem gearbeitet, was verfügbar war, hatten Kontakt zu Zeitzeugen, Bekannten, den Nachkommen in Argentinien. 

 

Belegt ist, dass Haubrich bereits in den 20er Jahren seinen Stiftungswillen gegenüber der Stadt Köln bekundet und Oberbürgermeister Konrad Adenauer ablehnt – zu modern. Das zeigt nicht zuletzt, in welchem Spannungsfeld Haubrich sich bewegte. Beruflich verkehrt er in eher kulturkonservativen Kreisen, kulturell engagiert er sich im Kölnischen Kunstverein, verkehrt mit Künstlern, den Kölner Progressiven. Zeitzeugen beschreiben ihn als extrem lebensfrohen, freundlichen Menschen, der offenbar auch 1933 bis 1945 Rückgrat bewies. Als Ergebnis der Forschungen erscheint eine Publikation, in der detailliert die abenteuerlichen Umstände der Ankäufe während der NS-Zeit nachzulesen sind. 

 

StadtRevue: Gibt es neue Erkenntnisse über die Provenienzen und Haubrichs Verhältnis zum Nationalsozialismus, war er wirklich aufrecht?

 

Julia Friedrich: In meiner Bewertung schon. Ich bin relativ kritisch an dieses Projekt herangegangen, und natürlich fragt man sich: Wie kann das sein – vielen wird was weggenommen, die Museen werden gesäubert, und dann gibt es Leute, die sammeln an in der Zeit? Haubrich hat Distanz zum Regime gewahrt, er hatte eine jüdische Frau und stand zu ihr. Und soweit die Herkunft der Werke zu klären ist, ist Haubrich kaum etwas vorzuwerfen.

 

StadtRevue: 1946 beginnt das zweite Kapitel, der Wiederaufbau der Kölner Kunstinstitutionen. Wie geht es weiter mit Haubrich?

 

Julia Friedrich: Nach der Schenkung hat er plötzlich Popularität und auch Macht in der Stadt, er sitzt im Rat, ist dann  stellvertretender Bürgermeister. Die Sammlung geht auf Reisen, wird in ganz Deutschland gezeigt, in Köln in der Alten Universität und der Eigelsteintorburg. Als der Bau wieder hergerichtet ist, kommt sie ins Wallraf-Richartz-Museum und wird schließlich 1986, also 25 Jahre nach Haubrichs Tod 1961, ins neue Museum Ludwig integriert.

 

StadtRevue: Und Haubrich gerät in den Schatten Peter Ludwigs...

 

Julia Friedrich: Der junge Ludwig hat viel von Haubrich gelernt, aber er war dann doch ein anderes Naturell. Er wollte kein Haubrich-Ludwig-Museum, sondern ein Museum Ludwig. Solche Interessen hatte man vielleicht zu Haubrichs Zeit gar nicht, da ging es um eine ideelle Schenkung, um die Werte dieser Werke – auch politisch gesehen – und den Neuanfang.