Lebenslang Lernmuffel

Die Stadt Köln und die Landesregierung sparen an der Bildung für alle

Fast 400 Seiten dick ist das neue Programmheft der Kölner Volkshochschule. Es lädt dazu ein, mehr als 3.900 Kurse zu besuchen – etwa Arabisch in Mülheim, Hebräisch in der Innenstadt, griechische Volkstänze in Porz, »Engel und Dämonen« in Rodenkirchen, Führungen durch das historische Köln oder Zimmerpflanzenpflege in Nippes. »Wie wichtig ein ebenso vielfältiges wie qualitätsvolles Weiterbildungsangebot ist, dürfte wohl nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der Pisa-Studie unumstritten sein«, erklärte jüngst Oberbürgermeister Fritz Schramma. »Unser Bildungssystem zu verbessern bedeutet auch, der Weiterbildung einen höheren Stellenwert zu verleihen.« Doch das Gegenteil ist der Fall.

Haushaltskonsolidierung

Auf Weisung der Stadt wird bei der VHS gespart, die Programmhefte werden nächstes Jahr dünner. 16 Prozent der laufenden Kurse – das entspricht jährlich etwa 30.000 von rund 200.000 Unterrichtsstunden – sollen bis 2006 wegfallen. Und das, obwohl es sich eigentlich überhaupt nicht lohnt, das Kursangebot zusammenzustreichen: Denn die Gebühren der Teilnehmer in Höhe von jährlich rund fünf Millionen Euro decken die Honorare der freiberuflichen Kursleiter in Höhe von 3,1 Millionen Euro mehr als vollständig. Dennoch bemüht sich Köln, seinen Haushalt zu sanieren; immerhin wurden in der Vergangenheit Schulden von 2,5 Milliarden Euro angehäuft, 2002 sind etwa 163 Millionen Euro Zinsen fällig, und Großprojekte wie der Neubau des Fußballstadions fordern ihren Tribut – so auch bei der Weiterbildung.
Die VHS soll dazu beitragen, indem sie durch weniger hauptberufliches Personal weniger Zuschüsse benötigt. Mit weniger Personal können aber weniger Kurse betreut und angeboten werden. Weil niemand entlassen werden soll, wie Oberbürgermeister Schramma versprochen hatte, werden Kurse erst gestrichen, wenn das Personal innerhalb der Verwaltung umgesetzt werden kann. Die ersten Kürzungen im Programm musste Bernd Hambüchen, Leiter der Amtes für Weiterbildung, für das erste Semester 2003 ankündigen. Das Sparen hat jedoch schon begonnen: In Chorweiler – einem der sozialen Brennpunkte Kölns – wurden aus der VHS-Geschäftsstelle zwei Arbeitskräfte abgezogen, die zu Semesterbeginn durch eine halbe Kraft ersetzt werden sollen.

Sparen am Stadtrand

Doch es wird nicht gleichmäßig gekürzt. In der Innenstadt, wo etwa jeder zweite Kurs stattfindet, wird es relativ wenig Einbußen im Angebot geben, dafür aber in den Außenbezirken: Chorweiler, Ehrenfeld, Kalk und Mülheim genauso wie Nippes, Porz, Rodenkirchen und Weiden. »Ich muss vor allem in den Bezirken sparen, weil dort im Schnitt weniger Teilnehmer die Kurse besuchen«, rechtfertigt sich Hambüchen. »Wir werden aber versuchen, ein Mindestangebot aufrecht zu erhalten.«
Für ihn stellt der betriebswirtschaftliche Ansatz die dezentrale Weiterbildung in Frage. Längst nicht alle werden bereit sein, für einen Lauf- oder Sprachkurs am Abend in die Innenstadt zu fahren. Und in den Bezirken gibt es nur spärliche Alternativen, denn auch private Anbieter befinden sich überwiegend in der Innenstadt. Die Leidtragenden werden damit vor allem Frauen sein, die 75 Prozent aller TeilnehmerInnen stellen.

Fürs Arbeiten lernen

Die VHS setzt zudem neue Schwerpunkte. »Die Weiterbildung muss in noch stärkerem Maße auf die Anforderungen der Arbeitswelt zielen«, so Schramma. Er wiederholt damit Vorgaben aus dem neuen nordrhein-westfälischen Weiterbildungsgesetz von April 2002, dass die Programmbereiche »Gesundheit«, »Kunst, Kreativität, Medien« und »EDV« als weniger förderungswürdig einstuft.
Diese Einschnitte stellen für Hambüchen das lebenslange Lernen, das Politiker immer wieder gerne in ihren Sonntagsreden einfordern, grundsätzlich in Frage: Die Angebote würden stetig weniger, selbstständig lernen könnten aber »im Grunde genommen nur diejenigen, die eine hohe Lernerfahrung haben, lernwillig und diszipliniert sind. Ich nenne das Neoliberalismus.«
Auch Angelika Winkin, schulpolitische Sprecherin der Grünen, hält es für falsch, Angebote einzuschränken. »Es ist kurzsichtig, so etwas wie Gesundheitsprävention herunterzufahren – Prävention ist immer preiswerter als Therapie.« Selbst Freizeitkurse wie Kochen oder Tanzen, Zeichnen und Malen sollten nach Winkins Ansicht aus einer gesellschaftlichen Verantwortung heraus weiterhin angeboten werden: »Die Leute haben geradezu verlernt, ihre Freizeit vernünftig einzusetzen, hier liegt eine große Verantwortung für die VHS.«