»Vielleicht steckt in mir einfach nicht das Zeug zu einem Meisterwerk«

Woody Allen ist auf seiner Europatour in Italien angekommen. Ein Gespräch über To Rome with Love, Silvio Berlusconi und die Unfähigkeit in Rente zu gehen

StadtRevue: Mr. Allen, Sie haben einmal gesagt, dass Sie Manhattan nur ungern verlassen. In den letzten Jahren haben Sie in London, Barcelona, Paris und jetzt in Rom gedreht. Geht die Globalisierung auch an Ihnen nicht vorbei?

 

Woody Allen: Ich reise eigentlich immer noch nicht gern, aber meine Frau liebt es. Sie ist ja sehr viel jünger als ich. Immer wenn sie etwas unternehmen will und denkt, dass ich dafür schon zu alt sei, spornt mich das an. Wir sind seit fünfzehn Jahren verheiratet und reisen seitdem kreuz und quer durch die Welt. Ob mich das jung hält oder ein paar Lebensjahre kos­tet – das wird sich zeigen.

 

Was hat Sie nach Rom verschlagen?

 

Ich habe immer Schwierigkeiten meine Filme zu finanzieren, und Rom hat das Budget für den Film zusammengetragen. Sie haben mich angerufen und gesagt, wenn ich nach Rom käme, seien sie in der Lage meinen Film zu finanzieren. Und ich dachte: Das ist perfekt. Rom ist eine wunderschöne Stadt. Die Amerikaner lieben Rom. Ich war dort schon sehr oft. Es war keine Frage, dass ich das mache.

 

Das war noch zu Zeiten der Berlusconi-Regierung, seine Firma Medusa hat »To Rome with Love« koproduziert. Hatten Sie keine Skrupel?

 

Nein, ich nehme von jedem Geld, solange ich Filme machen kann, wie ich es will. Und was Berlusconi angeht: Mit all seinen Partys und Skandalen ist er geradezu die Inkarnation römischen Lebens.

 

Was macht für Sie das Leben im Rom von heute aus?

 

Die Stadt ist voller Aktivität. Die Straßen sind voll. Autos und Fußgänger wuseln durcheinander. Es ist laut. Man verläuft sich. Rom ist eine Stadt ohne Regeln. Die Menschen haben einen ausgeprägten Sinn für die angenehmen Seiten des Lebens. Sie lieben ihr Essen, ihre Kleidung, ihr Kino, ihre Oper. Rom ist ein sehr lebendiger Ort. Das wollte ich im Film einfangen, indem ich möglichst viele Figuren und Geschichten hineinbringe.


In »To Rome With Love« stehen Sie auch wieder selbst vor der Kamera, diesmal als Opernproduzent, der dem Ruhestand zu entfliehen versucht. Sie sind 76 und drehen weiterhin einen Film pro Jahr. Haben Sie Angst zur Ruhe zu kommen?

 

Ich habe Freunde, die sind pensioniert und sie lieben es. Sie gehen angeln, schauen sich Baseball-Spiele an, schlafen jeden Morgen aus und spielen Karten im Park. Sie haben eine richtig gute Zeit. Aber so ein Leben wäre nichts für mich. Vielleicht denke ich irgendwann anders darüber, denn es kann natürlich sein, dass mir irgendwann keiner mehr Geld geben will, um einen Film zu drehen.

 

Der Film setzt sich auch mit den absurden Folgen der Kultur des Berühmtseins auseinander. Was hat sich seit Ihrem Film »Celebrity« aus dem Jahr 1998 daran geändert?

 

Die Veränderungen sind rein kosmetischer Natur. Das Celebrity-Phänomen ist schon seit meiner Kindheit das gleiche. Damals waren es Stars wie Humphrey Bogart oder Grace Kelly, die verehrt wurden und immer die besten Plätze in der Oper bekamen. Die Menschen verehren Berühmthei­ten immer noch auf eine vollkommen unverhältnismäßige Weise.

 

Aber heute glaubt durch die Reality-Shows jeder, dass er das Zeug zum Star hat.

 

Ja, heute kann man berühmt werden, ohne irgendetwas Besonderes geleistet zu haben. Aber dieses Phänomen ist eine Mode, die spätestens in zehn Jahren wieder vorbei sein wird. Auch heute haben die meisten berühmten Menschen als Sportler, Politiker, Wissenschaftler, Schauspieler oder Musiker eine besondere Leis­tung vollbracht. Dennoch stehen ihre Privilegien in keinem Verhältnis zu diesen Leistungen. Es gibt keinen Grund, warum ich ohne Problem in einem Restaurant einen Tisch bekomme, während ein Lehrer oder Polizist einfach abgewimmelt wird.

 

Dennoch beklagen sich viele Stars über die negativen Folgen ihrer Berühmtheit.

 

Sicher gibt es auch Nachteile, aber berühmt zu sein ist viel, viel besser als nicht berühmt zu sein.


Sie haben inzwischen 43 Filme gedreht. Wie blicken Sie auf Ihr eigenes Werk zurück?

 

Ich sehe mir meine Filme, nachdem sie fertiggestellt sind, nicht wieder an. »Woody, der Unglücks­rabe« habe ich 1968 gedreht und seitdem nicht wieder angeschaut. Ich habe sehr viele Filme gemacht. Manche davon sind gut, manche weniger. Ich denke, ich habe mich insgesamt ganz wacker geschlagen. Aber wenn man an Filme wie »Die Fahrraddiebe«, »Citizen Kane« oder »Die große Illusion« denkt, weiß ich genau, dass keiner meiner Filme mit diesen Meisterwerken des Kinos mithalten kann. Ich bin jetzt 76, und vielleicht steckt in mir einfach nicht das Zeug zu einem solchen Meisterwerk. Aber das grämt mich nicht. Was die Einschätzung meiner eigenen Arbeit angeht, da bin ich ganz realistisch, aber keineswegs masochistisch eingestellt. Ich genieße es, Filme zu machen, und ich weiß, dass viele Menschen meine Filme mögen.