Retrospektive Keisuke Kinoshita

Keisuke Kinoshita war einer der populärsten und einflussreichsten japanischen Filmemacher der Nachkriegszeit — in Japan. Der Rest der Welt nahm sein Genie sporadisch wahr und kannte eher gekürzte oder anderweitig bearbeitete Versionen seiner Werke. Sein Schaffen passte nicht so recht zu hiesigen Vorstellungen vom guten japanischen Film, die sich in den 50er Jahren etabliert und seither kaum geändert haben. Stichworte: Samurai, Yakuza, lange Einstellungen, ästhetische Askese, das »Pathos der Dinge«.

 

Anders als etwa sein langjähriger Freund Akira Kurosawa kultivierte Kinoshita keinen eigenen Stil, sondern ging in nahezu jedem Werk neue ästhetische Wagnisse ein: Er war ein Eklektiker, der das Experiment um seiner selbst willen liebte. In »Ballad of Narayama« (1958) arbeitete er zum Beispiel mit Elementen des Kabuki-Theaters, in »Fuefuki River« (1960) wagte er verstörende Stilisierungen durch eine Mischung von Farb- und Schwarzweiß-Filmmaterial. Seine Vision vom Kino war aber auch volkstümlich in einem ganz raren, kleinbürgerlich-emanzipatorischen Sinne: Kinoshita glaubte an die Poesie des befreienden Weinens wie des erkennenden Lachens (die Filmauswahl des Japanischen Kulturinstituts konzentriert sich allerdings in erster Linie auf Kinoshitas melodramatische Seite).

 

Mehrere seiner Hauptwerke durchmessen die japanische Geschichte, erzählen meist entlang der Irrungen und Wirrungen einer Familie oder Gruppe von Menschen: »Twentyfour Eyes« (1954) verfolgt die Wege einer Lehrerin und ihrer Schulklasse über rund ein Vierteljahrhundert; »The Scent of Incense« (1964) erstreckt sich über ein halbes Jahrhundert und spiegelt die Zeitgeschichte im verwickelten Miteinander zweier Geishas, einer Mutter und ihrer Tochter sind; »Fuefuki River« umspannt fast ein Jahrhundert — mehrere Generationen fristen durch die Wirren der Feudalkriege hindurch ihre armen Leben. Während diese Arbeiten eher das Fließen der Dinge betonen, akzentuiert »The Snow Flurry« (1959) das oft Unversöhnliche der Zeiten, indem die Erzählebenen unvermittelt nebeneinander gestellt werden.