Besonders unverfilmbar

Epos auf sechs Ebenen: »Cloud Atlas« von Tom Tykwer, Andy und Lana Wachowski

 

Auf einem Segelschiff im Pazifik kreuzen sich 1849 die Wege eines britischen Kaufmanns und eines entflohenen Sklaven; ein erfolgreicher Komponist und ein Nach-wuchs-musiker ringen 1936 um eine bahnbrechende Symphonie; eine Journalistin ist im San Francisco der Siebziger den Machenschaften eines Atomenergiekonzerns auf der Spur; im London von heute gerät ein harmloser Verleger in einen Strudel komödiantischer Ereignis-se; im Seoul des Jahres 2144 wird eine geklonte Frau zur Symbolfigur eines revolutionären Aufstandes und in der post-apokalyptischen Zukunft des 24. Jahrhunderts herrschen blutige Stammeskriege.

 

Der fast 700 Seiten starke Roman »Wolkenatlas« von David Mitchell gehörte für viele in die Kategorie »besonders unverfilmbar«. Die 164-minütige Leinwandversion von Tom Tykwer und den Geschwistern Wachowski präsentiert sich als komplexes Kinoepos, das mit einer hochkarätigen Besetzung von Tom Hanks über Halle Berry bis zu Hugh Grant und Susan Sarandon nach dem ganz großen Weltkinopublikum schielt. Bis zu sechs Rollen musste jeder Hauptdarsteller übernehmen, denn die Handlung ist auf sechs verschiedenen Zeitebenen angesiedelt, die parallel geführt und eng miteinander verwoben werden.

 

Die verschiedenen Erzählungen sind nicht nur thematisch, sondern auch personell verbunden. Tom Hanks ist als zwielichtiger Schiffsarzt, selbstkritischer Nuklearforscher, wutentbrannter Romanautor und als Clanführer mit futuristischen Kopf-Tattoos zu sehen. Schließlich geht es in »Cloud Atlas« um die Transzendenz von Zeit und Raum, um einen Film gewordenen Schmetterlingseffekt, in dem sich die Handlungen der Menschen in Ver-gangenheit, Gegenwart und Zu--kunft genauso gegenseitig durch-drin-gen wie die Genres, die hier vom Historienepos über die Komödie bis zum Science-Fiction- und Horrorfilm übereinander geschichtet werden.

 

»Unser Leben gehört uns nicht allein« lautet die unüberhörbare Bot-schaft des Films, der die Konsequenzen menschlichen Handelns über die eigene Existenz hinaus beschwört. »Cloud Atlas« überrollt sein Publikum förmlich mit seiner erzählerischen und visuellen Ambi-tion, sodass man eigentlich erst beim zweiten Sehen eine Chance hat, alles zu erfassen. Nach dem ersten Staunen gibt es inhaltlich und ästhetisch noch viel zu entdecken. Ein Rausch der Bilder, Emotio-nen und philosophischen Exkurse, der über die Ernüchterung hinauswirkt. Ein Film, auf dessen Wucht man sich einlassen muss, um seine Qualitäten zu erkennen.


Cloud Atlas (dto) USA/D 2012,
R: Tom Tykwer, Andy Wachowski, Lana Wachowski, D: Tom Hanks, Halle Berry, Jim -Broadbent, 163 Min. Start: 15.11.