Die Rentnerin Aurora lebt in einer in die Jahre gekommenen modernistischen Modellstadt. Einst gehörte sie zur Elite Portugals, lebte in den Kolonien, der Alltag: ein Rausch, für den andere aufkamen. Sie geht immer noch ins Casino und verzockt Geld, das sie längst nicht mehr hat — Santa, ihre  kapverdische Haushälterin, steckt ihr manchmal etwas zu. Ansonsten ist da noch Pilar, die wohl­meinende Nachbarin. Als Aurora stirbt, kümmert sich Pilar um das Wenige, das sie hinterließ — und findet darunter die Spuren einer Amour fou.

Wie alle Langfilme von Miguel Gomes (»Our Beloved Month Of August«) ist auch »Tabu« aufgebaut wie ein Musikstück in zwei Sätzen — in diesem Fall ergänzt von einem denkwürdigen Prolog mit einem melancholischen Krokodil. Der Charme des selbstbewusst Schrägen versetzt den Zuschauer zu Beginn in eine Stimmung, die der erste Satz von »Tabu« zunächst einmal völlig konterkariert.

Die oben umrissene Erzählung von Aurora, Santa und Pilar ist eine Art Kammerspiel, ein Stück Kinotheater von Tschechow‘schem Geist und Millowitsch‘em Gemüt, in dem sich bizarrer Sprachwitz subtil mit hingeschmissener Situationskomik und einem artifiziellen Realismus bester moderner  portugiesischer Prägung verbindet. Der zweite Satz ist dialoglos und erzählt — buchstäblich per Sprechertext: die Geschichte von Auroras großer Jugendliebe, die als flirrendes Delirium aus Melodram und Farce, mit geilen Eseln und absurd vor sich hin schnulzenden Coverbands zum Besten gegeben wird.

Das wirkt erst einmal wie ein Blick zurück, gesehen in jener hyperbolischen Weise, mit der man sich die schönsten letzten Tage vorstellt — unmöglich in ihrem überbordenden Glanz, voller klar vergegenwärtigter Details, konzentriert immer nur auf die wesentlichen Elemente, Augen­blicke, aus einer narrativen Notwendigkeit heraus sehr literarisch im Gestus. Da ist viel cinephile Schwärmerei im Spiel, über die man aber das äußerst giftig Gallige der politischen Satire auf die portugiesische Gegenwart nicht übersehen darf.