Der Klangarchäologe

KHM-Professoren im Portrait: Anthony Moore erforscht die elementarsten Gesetze von Sound

Als ich Anthony Moore frage, ob er für die Reihe »Academy Insight« ein Interview geben würde, reagiert er mit einer Gegenfrage: Ob wir auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter der KHM vorstellen? Nur Professoren, das erscheine ihm doch recht hierarchisch. Der Komponist und Medienkünstler, der an der KHM im Bereich Wissenschaft lehrt und 2000 bis 2004 Rektor war, hat damit die Kernfrage angesprochen: Wie definiert sich eine Kunsthochschule eigentlich? Allein über ihre Professoren oder über alle, die an ihr forschen und arbeiten?  

 

Wir tauschen uns zwischen Frankreich und Deutschland aus. Anthony Moore ist gerade auf dem Sprung nach China, die Zeit drängt, die Antworten sind knapp und präzise. »Wir sind in jedem Sinne eine klassische Kunsthochschule«, beschreibt er die KHM: »Wir unterstützen die klassischen Medien, wie Zeichnung oder Malerei, aber die meisten unserer Werkzeuge, wie Farbe oder Pinsel, sind technische Konstrukte.«

 

Der gebürtige Engländer, der das Klanglabor — die Experimentierstube für Sound — und die »Nocturne«-Konzertreihe für elek­tronische und experimentelle Musik an der KHM mit begründete, forscht in seinem Fachbereich zu Theorie und Geschichte von Sound. Angefangen habe er als Praktiker und sich dann in die Geschichte des Akustischen und die Geschichtsschreibung an sich vertieft. Bevor Moore 1996 an die KHM kam, spielte er in der Avantgarde-Pop-Band Slappy Happy, schrieb Songs für Pink Floyd und arbeitete mit deren Keyboarder Richard Wright an dessen Soloalbum »Broken China«. Was ihn umtreibt sind Kurzwellen-Radio-Geräusche, Sinus-Wellen und prähistorische Sounds.

 

»Für Sound gilt das Gleiche wie für die Zeit. Beide hängen davon ab, wieder zu verschwinden sobald sie existieren«, erklärte Moore bei einem Symposium. Er geht der Frage nach, welche Rolle akustische Phänomene für die Geschichtsschreibung spielen, zieht Verbindungslinien zwischen Mathematik und Musik, befasst sich mit dem Wechsel vom Mündlichen zum Schriftlichen, der vor gut 2800 Jahren mit den ersten handschriftlichen Notizen einsetzte. Und er untersucht die Geschichte der technischen Geräte zum Speichern und Abspielen von Geräuschen und damit auch die physiologische Wahrnehmung von Sound. Es ist eine geradezu archäologische Fahndung nach den elementarsten Gesetzen von Klang.

 

Und was gefällt ihm an der Arbeit mit den Studenten? »Sie halten mich auf Trapp und oft bin ich ihnen kaum einen Schritt voraus. Ich lerne viel von ihnen.«