Der unbekannte Superstar

Zwischen Thriller und Musikdoku: »Searching For Sugar Man« von Malik Bendjelloul

An den britischen Kinokassen war Sixto Rodriguez erfolgreicher als John Lennon, Leonard Cohen und Metallica zusammen. Malik Bendjellouls Dokumentarfilm über den amerikanischen Singer-Songwriter spielte ein Vielfaches ein von »The US vs. John Lennon«, »Leonard Cohen: I’m Your Man« oder »Metallica: Some Kind of Monster«. Ein Grund für den Überraschungserfolg könnte sein, dass es für den Kinogänger gerade von Vorteil ist, wenn er möglichst wenig über Rodriguez weiß. »Searching For Sugar Man« funktioniert wie ein Thriller, dessen Geschichte wahrhaft stranger than fiction ist.

 

Rodriguez veröffentlichte in den frühen 70er Jahren zwei fantastische Alben, »Cold Fact« und »Coming from Reality«, die ihn zu einer Zeit, in der Singer-Songwriter wie James Taylor oder Joni Mitchell ihre größten Erfolge feierten, eigentlich ganz nach oben in die Charts hätten befördern sollen. Doch niemand wollte seine Musik in den USA hören: Offenbar klang sie der Folk-Klientel zu sehr nach Soul und den R’n’B-Fans zu selbstzweiflerisch und wenig tanzbar. Weder schwarze noch weiße Musikliebhaber wussten etwas anzufangen mit der Musik des Sohns eines mexikanischen Einwanderers, die so gar nicht lateinamerikanisch klang. Sein Plattenlabel Sussex sah Ende der 70er Jahre kein kommerzielles Potenzial mehr in seinem Künstler und feuerte ihn vor der Fertigstellung eines dritten Albums.

 

Was Rodriguez zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: In Wahrheit war er längst ein Superstar — in Südafrika. Dort verkaufte er hunderttausende Platten, mehr als etwa die Rolling Stones, besonders an die Jugend der weißen Mittelschicht. Doch das Apartheidsregime war weitgehend isoliert, das Internet noch nicht erfunden und die Plattenfirma teilte ihrem Künstler auch nichts vom Erfolg mit. Veruntreute Sussex-Boss ­Clarence Avant Millionen? Das ist nur eine der Fragen, denen Bendjelloul nachgeht. Er begibt sich auf eine Spurensuche, bei der es um Betrug geht, um Politik, um die Macht der Fans und natürlich nicht zuletzt um den großen Mythos im Zentrum des Films: Rodriguez selbst.

 

Wer Musik liebt und Film, muss gewöhnlich leidensfähig sein. Leblose Digitalbilder, nachlässige Montage und Interviews aus Fanperspektive sind nur ein paar der häufigsten Unzulänglichkeiten von Musikdokumentationen. »Searching for Sugar Man« gehört zu den großen Ausnahmen. Bendjelloul weiß, dass er eine einmalige Geschichte gefunden hat, und er maximiert ihr dramatisches Potenzial geschickt. Packender und origineller wurde die altbekannte Geschichte vom verkannten Genie selten erzählt.