Stierer Blick

Horror aus der Subjektive: »Maniac« von Franck Khalfoun

William Lustigs 1980 entstandener »Maniac« zählt zu den intensivsten und am kultischsten veehrten video nasties seiner Zeit. Joe Spinell gab hier den legendär verquollenen, verwarzten Titelhelden — einen schwer soziopathischen Schizophrenen, der als ewiger Junggeselle seine Mutterkomplexe in üblicher Horrorgenre-Tradition auslebt. Doch ist »Maniac« nicht einfach nur ein weiterer derber Streifen, sondern auch ein Zeitbild der Kippstelle zwischen 70er und 80er Jahren. Kurz vor dem Siegeszug von Plastik-Pop, geleckten Oberflächen und entfesseltem Konsumismus erstrahlt New York nochmals in seiner ganzen heruntergekommenen, versifften Pracht.

 

Auch deshalb war Skepsis angezeigt, wenn sich der seit Jahren grassierende Remake-Trend, der Exploitation- und Horrorklassiker des randständigen Kinos der 70er zu marktgerecht kalkulierter Mainstreamware fürs Multiplex aufbereitet, sich nun auch dieser Ikone des B-Films zuwendet — überdies mit Elijah Wood in der Hauptrolle, dessen filigrane Gesichtszüge sich schwerlich als Ersatz für Joe Spinells körperlich-asige Präsenz anbieten.

 

Dem begegnet das unter den Produzenten-Fittichen von ­Alexandre Aja (»Piranha 3D«) entstandene Remake mit einem cleveren Manöver: Mit viel Geschick ist »Maniac« aus der Ich-Perspektive gedreht, was den Zuschauer nicht nur in die unkomfortabelste aller denkbaren Positionen zwingt, sondern auch Woods Auftritte auf Spiegelungen und wenige, mit beeindruckendem melodramatischen Effekt aus seiner Subjektive gleitende Perspektivwechsel beschränkt. Mit seinem stieren Blick, aus dem tiefste Verunsicherung spricht, verleiht Wood dem Film einen ganz eigenen Akzent.

 

War Lustigs »Maniac« tief in den 70ern verwurzelt, blickt der neue Film nun sehr bewusst von jenseits der 80er auf den Stoff. Der kristallklare Soundtrack, die stylish-ätherische Ästhetik, der assoziativ gleitende Blick in ein heutiges, doch verstörend fremd wirkendes New York setzt eher auf Zeitgenossenschaft und weniger auf den nostalgischen Effekt. Die Wiederkunft des klassischen Bahnhofskino-Films als Arthouse-Horror, unter den etwas Experimentalfilm gehoben wurde — nicht die schlechteste und mit Sicherheit nicht gerade marktkompatibelste Wendung. Setzte Lustig noch die Krise der Urbanität allegorisch ins Bild, orientiert sich das Remake an einem klassischen Thema: Dieser »Maniac« ist auch ein schmerzhaftes Stimmungsbild tiefster Einsamkeit, aus dem es für den Zuschauer buchstäblich kaum ein Entrinnen gibt.