Kant und die Schmandschnitten

Materialien zur Meinungsbildung # 133

»Bakerman is baking bread«, heißt es in einem Popsong vom Ende der 80er Jahre. Transzendentalphilosophisch betrachtet ist das ein analytisches Urteil a priori. Kant würde behaupten, im Begriff Bäckersmann sei bereits enthalten, dass er Brot backt. Ich glaube Kant war ebenso plemplem wie Laid Back, jener »dänische Pop-Export« (Tobse Bongartz), der dieses gemeingefährliche Libretto verbrochen hat. Denn dieser Satz ist weder banal noch wahr. Dieser Satz ist falsch! Die Erfahrung lehrt uns, dass Bäcker gerade kein Brot backen! Sie mischen was zusammen und schieben‘s in den Ofen. 

 

Man liefert ihnen Granulat für »zarte Butter-Hefe-Feingebäcke mit großem Volumen und typischem Buttergeschmack«, das sich mittels satanischer Alchemie als »Croissant Montmartre« materialisiert. Die schlimmsten Bäcker, also alle, pappen noch etwas gehäckseltes Katzenstreu drauf, um das Zeug mit dem Präfix »Natur-« oder »Feinschmecker-« zum doppelten Preis anzubieten. Ich bin nicht bereit für ein Präfix diesen Aufschlag zu bezahlen. Sorry, Bakerman!

 

Der Bäckereikunde wird verhöhnt und drangsaliert. Üblicherweise betritt man doch ein Geschäft, sichtet das Sortiment, wägt ab, trifft eine Entscheidung und teilt sie dem Personal mit. Geld und Waren wechseln daraufhin den Besitzer, das nennt sich Einkaufen. 

 

Mich rempelt man im »Bäckerei-Shop« verbal an. Noch bevor ich meinen Fuß über die Schwelle gesetzt habe, kläfft es militärisch: »Was darf’s sein, junger Mann?« Überrumpelt sage ich dann: »Ich hätte gern eine Schmandschnitte.« Darauf die tolldreiste Antwort: »Hätt ich auch gern, is' aber aus!« Mit gutem Gehör vernimmt man im Nachklang noch »Ätschi, bätschi!« So geht das jeden Tag, mitten in Deutschland. 

 

Wie lange kann ein Mann sich demütigen lassen? Sehr lange. Er schafft es nicht, zu Hause zu frühstücken. Ihm knurrt der Magen, er muss sich diesen Bäcker-Halunken ausliefern, will er den Vormittag überleben. Der Mann sagt mit tränenerstickter Stimme »Lecker-Ecke« und »Schoko-Jumbo«, jeden neuen Tag besudelt er sich mit diesen Schamlosigkeiten. Anschließend möchte er sich immer mit Petroleum und Schleifpapier waschen. 

 

Verlange ich drei »Guten-Morgen-Brötchen«, werde ich angefahren, dass ich klüger daran täte, fünf zu nehmen, »weil fünf sind im Angebot«. Für wie verrückt hielte man wohl einen Autohändler, der seiner Kundschaft riete, besser fünf Sportwagen zu kaufen als einen? Überhaupt: Ich esse keine fünf »Guten-Morgen-Brötchen«! Mir ist nach einem schon schlecht. Wenn sie wenigstens nicht auch noch »frisch belegte Sandwiches« anböten, die nur dazu dienen, verquirlten Sondermüll zu entsorgen, der als »französische Remoulade« unter jeder Goudascheibe pappt. 

 

Höhepunkt dieser grotesken Revue, die in den Bäckerei-Ketten landauf, landab zur Aufführung kommt, ist die Latex-Nummer. Das klingt anrüchig, und das ist es auch. Hinter der Theke wird mit OP-Gummihandschuhen hantiert, denn das Publikum soll glauben, Hygienevorschriften würden befolgt. Aber was wir als kundenorientierten Sauberkeitsfimmel ansehen, ist in Wirklichkeit eine Arbeitsschutzmaßnahme: Die Bedienungen tragen Handschuhe, um bloß nicht mit den Backwaren in Berührung zu kommen! Das Buhei wird ja vollends ad absurdum geführt, wenn Münzen und Geldscheine durch die selben Hände wandern. 

 

Wer sagt jetzt noch, der Bäcker backe Brot? »Bakerman is faking bread«, so sollten wir singen. Das wäre ein Protestsong. Typen wie Kant, der »Königsberger Nullchecker-Export« (Klaus C. Niebuhr) sollen sich ruhig die Köpfe zerbrechen, welche Art von Urteil dann vorliegt. Dass es wahr ist, das ist entscheidend.