Das zerrt

Die Nerven sind eiskalt, explizit und kommen ohne Umschweife zur Sache

Gib mir doch mal einer schnell meine Tropfen! Meine Nerven! So, wie jetzt weiter nach diesem tollen Wortspiel?! Ganz klassisch vielleicht: Die Nerven kann man auf mindestens drei Arten lesen, das junge, sehr junge süddeutsche Trio (Esslingen, da kommt man vielleicht so drauf) würde sicherlich zur pronominalen Variante raten, denn das ist durchaus so gewollt. Julian Knoth, Max Rieger und Kevin Kuhn, die auf manchem Promofoto so aussehen, als könnte sie im Grunde kein Wässerchen trüben, sind eiskalt, explizit und kommen ohne Umschweife zur Sache.

 

Ihre Band ist der desolateste Shit, der seit langem aus den vergessenen Ecken der Republik in die Metropolen geschwappt ist. Brachialer Postpunk mit starkem New-Wave-Einschlag (die Gitarre, die Gitarre, so desillusioniert hat die seit den frühen Cure-Tagen nicht mehr geklungen, dagegen machen The XX Sunshine-Pop!), inklusive charakteristisch-stumpfen Deutschpunk-Bass und eher skandierten denn gesungenen deut-schen Texten, Statements und Paro-len. Frühe Veröffentlichungen auf Touch & Go mögen durchaus auch als Referenz herhalten, irgendwo stand geschrieben, der Sound der Band klänge nach Berlin 1981. Da fällt mir allerdings außer der Verfilmung von Christiane F., »Kollaps« und Ideal nicht viel zeitgemäß Hauptstadt-Typisches ein, aber schön kaputt ging es ja schon zu in den guten alten Mauertagen.

 

Das hat Die Nerven allerdings überhaupt nicht zu interessieren, das war lange vor ihrer Zeit. Die Adolenszenten heutiger Prägung studieren lieber neue Posen, neue Slogans (»Du suchst ein neues Hobby/ drück Heroin«), neue Dring-lichkeit (»Ich folge einer Linie/bis in den Tod«), neuen Nihilismus (»Ich wünschte/ mein Körper/ wäre ein Schrapnell«), neue Verachtung (»Und andere Sprachen ändern auch nichts an Deinem Zustand«). Und das machen sie, trotz ihrer zum Himmel schreienden plakativen Selbstinszenierung, verdammt gut. Soviel Perspektivlosigkeit hatten selbst die Jahre 1977ff. nicht zu bieten. Man kann nur hoffen, dass die Jungs das nicht nur ernst meinen, allerdings ist ein Augenzwinkern beim besten Willen nicht zu erkennen ist.

 

»Hören mit Schmerzen«, um der ganzen Schose mal mit den Einstürzenden Neubauten (Berlin 1981!) beizukommen. Live definitiv noch kaputter, da sollte man dranbleiben. Möchtegern-Radauken wie 1000 Robota oder Herpes verkriechen sich derweil devot in ihre Probe-räumen und mögen inständig hoffen, dass das Jahr 2013 schnell vorüber geht. Denn das wird die Zeit der Nerven. Darauf einen Schluck Fluidum!