Immer im Strom

Der Ambient-Produzent Max Würden sucht den perfekten Moment

Es gibt Musiker, die behaupten, sie würden ihre eigene Musik niemals selbst hören. Album produzieren, und ab dafür. Dahinter steckt in den seltensten Fällen Bescheidenheit, eher eine Art von Großspurigkeit: Es sind schon wieder so viele neue gute Ideen am Start, dass es Zeitverschwendung wäre, sich noch weiter mit dem Fertigen zu beschäftigen. Max Würden ist einer, der das ganz anders sieht: »Ich höre am liebsten meine eigene Musik, sie beruhigt mich enorm«, gibt der Ambient-Musiker freimütig zu. Und er geht noch weiter: »Ein Qualitätskriterium bei Musik ist, dass ich dabei einschlafen kann — und nicht beim letzten Song noch einmal mit einem Hammer-Gitarrensolo aus dem Bett getrieben werde. Bei meiner Musik kann ich gut einschlafen«.

 

In der Tat: Die Tracks von Max Würden sind alles andere als aufregend, daraus  beziehen sie ihren Reiz. Würden ist ein Meister der Sogkraft — er erzeugt musikalische Ströme, die beim Hören Trance-artige Zustände auslösen. Nicht umsonst trägt sein neues Album »Or Lost« den Subtitel »soundtrack for a river«. Als Testperson setzt er sich am liebsten selbst ein: »Ich sitze manchmal vier Stunden da und höre immer das Gleiche, zum Beispiel einen Loop, der mich flasht. Ich finde das sehr schön. Dadurch entwickelt sich dann die Idee für einen Track«. 

 

Grundlage sind meist field recordings. Manchmal wird eine Geräuschkulisse musikalisch angereichert, dann wieder nur ein einzelnes Geräusch gesamplet. Angenehm ist, dass man beim Hören gar nicht mehr zwischen echt und künstlich unterscheiden muss, sondern den Klangkörper als Ge-samtes auf sich wirken lassen kann. Würden gelingt es, auch bei Track-Längen von über zehn Minuten mit minimalsten Änderungen die dynamische Spannung zu halten. »Das verlangt extreme Konzentration und ist echt anstrengend«, bestätigt der Künstler. Schließ-lich muss er die die Partitur jederzeit im Hinterkopf behalten.

 

finding / the / perfect / moment / is / it / a / dream / fulfilled / or lost — so lauten die Titel der einzelnen Tracks, die gemeinsam natürlich einen zusammenhängenden Satz ergeben. Bei der Formulierung der Songtitel wurde Würden von dem befreundeten Schriftsteller Thorsten Nesch unterstützt: »Mein erstes richtiges Ambientalbum hieß ›ortlos‹ — ›or lost‹ ist ein Anagramm dazu: Ich frage mich ständig, was wohl passiert, wenn ich den perfekten Moment in der Musik gefunden habe.« Bleibt nur zu hoffen, dass Max Würden bis zur Beantwortung dieser Frage noch viele weitere wundervolle Tracks zusam-menbasteln wird.