Stranger Than Fiction 2013

Prise für Prise streuen sechs buddhistische Mönche farbige Sandkörner auf ein Podest der Bochumer Jahrhunderthalle. Immer nur so viel wie zwischen Daumen und Zeigefinger passen, fast zwei Wochen lang. 2011 entsteht so im Rahmen der Ruhrtriennale ein fünf mal fünf Meter großes quietschbuntes Sandmandala. Einen Tag nach Fertigstellung des Meditationsbildes fegen die Mönche aus Bhutan den Sand wieder zu einem Haufen zusammen und versenken ihn in einem nahegelegenen Kanal.

 

Was dem Christentum das Memento mori, ist dem Buddhismus das Mandala: eine Mahnung an die Endlichkeit aller Dinge. »Vergänglichkeit« könnte auch das Motto der 15. Ausgabe des Kölner Dokumentarfilmfests Stranger Than Fiction sein. Nicht nur für Christoph Hübners »Mandala«, der geduldig den Aufbau und die Zerstörung des Mönchs-Kunstwerks begleitet, sondern auch für andere Filme, die im Ruhrgebiet spielen: Sei es in »Stahlbrammen und Pfirsiche«, in dessen Mittelpunkt Mitarbeiter des Hüttenwerks Krupp-Mannesmann in Duisburg stehen, oder in »Opel Arbeit Heimat« über Auszubildende im nur noch bis 2016 existierenden Autowerk in Bochum.

 

Vom Verlust oder zumindest Wandel ländlicher Lebensräume erzählen zwei andere Filme. »De Engel van Doel« zeigt eine gebrechliche, aber kampfeslustige Witwe bei ihrem Widerstand gegen die Zerstörung ihres Dorfes für eine Erweiterung des Antwerpener Hafens. In »Tea or Electricity« bringt eine Stromgesellschaft Elektrizität in ein abgelegenes Dorf im marokkanischen Atlasgebirge. Die Bewohner hätten lieber erst einmal eine Straße, die sie an die Außenwelt anbindet, aber damit kann kein Geld verdient werden. Als ein Einheimischer skeptisch ist, ob sein außen am Haus angebrachter Stromzähler auch sicher ist, wird ihm erzählt, Vandalismus sei in einem Dorf mit Strom kein Problem mehr. Mit dem Fernseher käme Bildung und mit der Bildung zivilisiertes Verhalten. Der diskret beobachtende Film von Jérôme le Maire ist da weniger optimistisch. Am Ende sieht man die Jugend des Dorfes gebannt vor dem Fernseher in einem der wohlhabenderen Haushalte sitzen: Es laufen nicht die Nachrichten, sondern Werbespots.