Krieg den Plantagen

Demokratie-Thriller: »Lincoln« von Steven Spielberg

Der 16. Präsident der Vereinigten Staaten gehört seit Stummfilmzeiten zu den beliebtesten Helden des amerikanischen Kinos — Regiegrößen wie D. W. Griffith, John M. Stahl und John Ford haben sein Leben bereits in Filmbilder verwandelt. Nun hat sich Steven Spielberg der Ikone angenommen. Sein Film konzentriert sich auf die letzten vier Monate im Leben Lincolns, in denen dieser alles daran setzt, vor dem Ende des Bürgerkrieges die Abschaffung der Sklaverei in der US-Verfassung zu verankern.

 

Für die erforderliche Zweidrittelmehrheit braucht er im Repräsentantenhaus nicht nur die Unterstützung seiner Republikanischen Partei, sondern auch noch Stimmen aus dem Oppositionslager. Es geht um ein Vorhaben von historischer Tragweite, aber auch um eine Grundsatzfrage politischer Moral: Darf um des hehren Anliegens Willen das Ende des Bürgerkriegs hinausgezögert und weiteres Blut vergossen werden? Außerdem liegen auf dem Weg zum Ziel die Mühen der parlamentarischen Ebene. Wer Mehrheiten will, kann nicht nur mit Argumenten kämpfen, sondern muss Parteidiplomatie beherrschen und Kompromisse aushandeln. Darüber hinaus beauftragt Lincoln eine außerparlamentarische Spezialeinheit, die potenziell abtrünnige Demokraten besticht und unter Druck setzt.

 

Vom edlen Idealismus über pragmatische Zwänge bis zu den schmutzigen Tricks des politischen Geschäfts spannt Spielberg das Spektrum des demokratischen Entscheidungsprozesses. Darin eingebettet wird ein differenziertes Porträt Lincolns, der als besonnene, aber auch schillernde und sehr menschliche Figur gezeichnet wird. Daniel Day-Lewis leistet in der Titelrolle wie gewohnt hervorragende Arbeit: In der Körpersprache zurückgenommen konzentriert er seine Ausdruckkraft auf das gesprochene Wort.

 

In den USA ist »Lincoln« fünf Tage nach der Präsidentschaftswahl in die Kinos gekommen — und natürlich sind die Echos der politischen Gegenwart in diesem historischen Film evident. Wie Lincoln kämpft Obama seit der zweiten Hälfte seiner ersten Amtszeit gegen die Blockadepolitik des Repräsentantenhauses, das sich gegen seine Sozial-, Steuer und Gesundheitsreformen stemmt. Im Gegensatz zu Lincoln agiert Obama im parlamentarischen Zermürbungskrieg bislang wenig glanzvoll, was zu verstärkter Demokratiemüdigkeit im Land führt. Dem setzt Spielbergs »Lincoln« auf historischem Terrain einen äußerst spannenden Demokratie-Thriller entgegen, der die Niederungen des Parlamentarismus, aber auch die politischen Gestaltungsmöglichkeiten, die im demokratischen System liegen, gründlich auslotet.