Nur bergab und nichts als Kurven

Ralf Schröder hat den neuen Mountainbike-Downhill-Trail im sauerländischen Willingen besucht.

Willingen hat eine saubere Hauptstraße mit Gaststätten, Cafés und der »Grillstube Istanbul«. In auffallend vielen Locations ist »Heute Abend Tanz«. Dass die örtliche Gastronomie sich recht eindeutig an reisenden Fußballvereinen und Kegelclubs orientiert, liegt am »Sauerlandstern«: eine riesige Hotelanlage, in der an jedem Wochenende Tausende von Gruppentouristen Ballermann-Feeling erzeugen.
Nach Willingen pilgern aber nicht nur Kegelbrüder. Irgendwo im Internet ist zu lesen: »Willingen ist das Bike-Mekka in Deutschland: 180 km Mountainbike-Wegenetz, 400 m langer Bikeparcours, Freeride-Strecke vom 838 m hohen Ettelsberg.« Auf dem Ettelsberg steht eine Holzhütte mit Ausschank. Nicht selten fahren die Vereinstouristen aus dem »Sauerlandstern« mit der Sesselbahn hier rauf, kippen einen und singen mit Sigi, dem Hüttenwirt, ein paar Lieder. Runter gehen sie dann zu Fuß, denn die Seilbahn befördert »keine betrunkenen Personen«. Dafür nimmt sie Mountainbikes mit: seitlich eingehängt und mit einem Riemen gesichert, die viel genutzte Zehnerkarte kostet 25 Euro.
Ein paar Meter hinter der Hütte, nah am Gipfelkreuz, befindet sich der Start zur Downhill-Strecke. Hier stehen die Mountainbikes von Stefan und Ivo. Die beiden machen Pause und rauchen eine. Sie sind, nicht zum ersten Mal, aus Bad Oeynhausen gekommen, für »ein paar Tage«, die sie im Wochenendhaus eines Freundes verbringen. Drei, vier Mountainbiker tauchen auf und stürzen sich ohne Verzug kurz nacheinander bergab auf den Parcours. »Mensch«, sagt Stefan, der etwa 30 ist, »alles junge Kerle. Woher die wohl die Knete für die teuren Karren haben. Das sind doch alles Mittelklassewagen.« Stefan und Ivo werfen ihre Kippen weg, setzen die Helme auf und fahren ab. Über der Szene schwebt in der Luft ein Dutzend Gleitschirme, deren Piloten haben ihre Startbasis auch auf dem Ettelsberg, gleich nebenan, knapp unterhalb des Gipfels.
Der Downhill-Kurs, für den die Gemeinde und das Land Hessen rund 120.000 Euro locker machten, wurde am vergangenen 14. Juni während des alljährlichen großen Willinger Bike-Festivals eröffnet. Anlässlich der Einweihung betonte der Willinger Bürgermeister Hubert Bechstein, in seinem Dorf seien nun erfreulicherweise auch die letzten Skeptiker verschwunden. Denn es habe sich gezeigt, dass sich der Mountainbikesport sowohl mit der Natur als auch mit den Wanderurlaubern vertrage. Allerdings findet man unten im Ort keine Hinweise auf das Downhill-Dorado, das zum Streckenverbund »Bike-Arena Sauerland« gehört.
Auch wenn die Strecke im touristischen Multi-Event-Trubel Willingens nur ein Angebot unter vielen ist: für MountainbikerInnen gehört sie zum Reizvollsten, was hierzulande zu finden ist. Etwa zweieinhalb Kilometer lang und über 230 Höhenmeter schlängelt sich der mit Brechsand gut befestigte Trail den Hang hinab. Im oberen, etwas flacheren Sektor reihen sich Sprunghügel aneinander, weiter unten wird es immer steiler; die unzähligen Kurven sind teils extrem überhöht, das garantiert ein schönes Gefühl im Magen und viel Speed. Auf North-Shore-Trails, schmalen Holzkonstruktionen mit Sprossenbelag, die auch als Sprungrampen dienen, können Geübtere ihre Balancefähigkeiten unter erschwerten Bedingungen testen. Für AnfängerInnen und Vorsichtige stehen so genannte Chickenways zur Verfügung, auf denen die Höchstschwierigkeiten umfahren werden können.
Sebastian, Thorsten und Christian sind aus Bünde bei Bielefeld gekommen, »mit Wochenendticket und Bimmelbahn, und mit fünf Mal umsteigen auf 200 Kilometern.« Sie lassen sich für ihre Abfahrt Zeit. An den schwierigsten Passagen und den besten Sprunghügeln macht Thorsten, 31, Industriekaufmann, Fotos für die Freeride-Website des Trios. Sebastian, 19, Schüler, hadert ein bisschen mit seinem Fahrrad. Heute zeigt sich wieder einmal, dass man »für so eine Strecke unbedingt ein Fully braucht«, das heißt: ein voll gefedertes Bike. »Aber irgendwann, und zwar bald«, da ist sich Sebastian sicher, wird er so etwas besitzen. Für ihn ist »Freeride mehr als Rad fahren. Eine Lebenseinstellung.« Aber auch ohne eine solche kann man in Willingen einen netten Downhill-Tag verbringen.

Von Ralf Schröder ist soeben erschienen: Radsport. Geschichte – Kultur – Praxis. Werkstatt-Verlag Göttingen, 226 Seiten, 16,90 EUR.

Anreise mit PKW:
Entweder über die A 4 bis Olpe und dann über Lennestadt, Meschede, Olsberg nach Willingen. Oder über die A 1 bis Unna, dann A 44 Richtung Kassel, A 445 über Arnsberg bis Bestwig, dann Olsberg, Willingen.

Die Anreise mit der Bahn dauert unangemessen lange. Wer’s trotzdem versuchen will, informiert sich unter www.db.de

Info:
Die Sesselbahn zum Ettelsberg fährt täglich von 9 bis 17 Uhr, die Zehnerkarte kostet 25 EUR, die Einzelfahrt 4,50 EUR; weitere Infos unter www.ettelsberg-seilbahn.de. – Zur Downhill-Strecke kann man auch über Wege selbst hinaufradeln. Weitere Infos beim Touristikservice Willingen, Telefon: 05632/401180 und unter www.willingen.de