Garten der Lüste

Die längste Fete der Welt: »Spring Breakers« von Harmony Korine

 

Vier Studentinnen wollen die Frühjahrsferien bedröhnt und pimpernd zwischen Kneipe, Strand und Hotelzimmer verbringen, so (sein) wie alle anderen. Stichwort: Initiationsritus. Für die Reise nach Florida brauchen sie Geld. Da sie aus wenig betuchten Verhältnissen stammen, müssen sie sich etwas einfallen lassen. Sie begehen einen Raubüberfall und stellen dabei fest, wie leicht das ist. Am Ziel ihrer kleinen Träume angekommen, erweist sich die 24/7-Party als ebenso anstrengend wie befriedigend — bis die Dinge aus dem Ruder laufen, sie mit dem Gesetz in Konflikt kommen und die Aufmerksamkeit eines wohlmeinenden Gangstas genießen lernen.

 

»Spring Breakers« ist die White-Trash-Revision von Hieronymus Boschs »Der Garten der Lüste«. Wo beim niederländischen Meister Märchenwesen in einem Wimmelgemälde der Verwerfungen perversester Art Unruhe verbreiten, arrangieren sich hier halb nackerte Teenieleiber in surreal anmutenden Choreografien, bei denen sie sich riesige Alkoholmengen buchstäblich eintrichtern lassen.

 

Ein anderes Bild, das Bosch bestimmt gefallen hätte: James Franco, kaum zu erkennen mit Cornrow-Frisur und falschen Zähnen, springt auf seinem Riesenbett herum, hinter ihm hängt ein Waffenarsenal, so vielgestaltig, dass man damit Leverkusen auslöschen könnte. Er schreit minutenlang manisch einen derangierten Monolog über den American Dream, seine Besitztümer und Gottweißwassonstnoch in die Welt heraus. Die Mädchen bestaunen ihn dabei wie den großen, bösen Wolf, von dem sie kleine Schweinchen verschlungen werden wollen — wobei zwei der vier in Wahrheit Falken im Sperlingsgewand sind, gegen die ein Gockel mit Kondorallüren wie er keine Chance hat.

 

Die schiefe Metaphorik passt zu einem Werk, dem das gestalterisch Schrägste und Erregendste gerade gut genug ist. Von knallhart belichtetem, grausam verstrahltem, seine Farben in den Wind heulenden 35mm-Material bis hin zu schlierigen VHS-Exzessen des mehr Ahn- als Sichtbaren wird ein ganzes Texturenarsenal aufgefächert. Unterhoben wird das Ganze mit einer die Nerven reizenden Schöpfungsfrenetik zwischen Stakkato-Montagen und Plansequenz-Anmutungen, dass einem die Blutströme rasen wie nach sechs Packungen finnischer Salmiaklakritze mit einem siebzehnfachen Espresso ristretto. Girl-power-Porno-Schick als Moraltraktat. Kino als Rausch mit Puritaner-Kater.

 

Spring Breakers (dto) USA 2012, R: Harmony Korine, D: James Franco, Selena Gomez, Vanessa Hudgens, 92 Min. Start: 21.3.