Werben für den Wandel

Politdrama: »¡No!« von Pablo Larraín

Chile 1988. Die Militärregierung unter Augusto Pinochet stellt sich auf internationalen Druck einer Volksabstimmung. Nach Jahren uneingeschränkter und von der Schutzmacht USA sanktionierter Terrorherrschaft soll sie jetzt ihre Legitimität nachweisen. Pro forma jedenfalls. So erhält die Opposition erstmals seit 15 Jahren eine Chance, sich über das Staatsfernsehen direkt an das Volk zu wenden. Täglich 15 Minuten. Eine aussichtslose Kampagne. Zumal die andauernden Schikanen regierungstreuer Schlägertrupps die Moral der Regimegegner zermürben. Erst der Werbefachmann René Saavedra (Gael García Bernal) bringt die latente Wechselstimmung im Land auf einen zündenden Begriff. »¡No!« lautet seine lässige Parole, mit der er die Masse der Verängstigten und Politikverdrossenen mobilisieren kann.

 

Der Film des Chilenen Pablo Larraín (»Post Mortem«) feiert den historischen Sieg über die Pinochet-Diktatur. Er selbst hat nur Kindheitserinnerungen an die dramatischen Ereignisse von damals. Doch Abertausende von Folter-opfern und das Gedenken an unzählige Vermisste und Ermordete halten das düstere Kapitel der chilenischen Geschichte auch für jeden Spätgeborenen bis heute präsent.

 

Larraín gelingt ein ungewöhnlich authentischer Blick auf die späten 80er Jahre. Gedreht wurde auf analogem Videomaterial, etwas unscharf und verwaschen, versetzt mit Originalaufnahmen aus Parlamentsdebatten, Ansprachen Pinochets und TV-Spots. Dazu kommen Gastauftritte und Nebenrollen für viele Protagonisten der historischen Kam-pagne. Daraus resultiert eine Frische und Leichtigkeit in der Inszenierung, die effektvoll kontrastiert wird mit der allgegenwärtigen Gefahr, der die Propagandisten des »¡No!« ausgesetzt waren. 

 

Die schweigende Mehrheit der Bevölkerung war auch in Chile zunehmend an neoliberalen Werten orientiert. Über wachsenden Konsum hatte man sich mit dem herrschenden Regime arrangieren gelernt. TV-Soaps waren attraktiver als Parlamentsdebatten. -Politisches Engagement galt nicht nur als gefährlich, es war schlichtweg »out«, was wesentlich schwerer wiegt.

 

Gerade darauf basiert die Erfolgsstrategie Saavedras. Er sucht nicht nach Überzeugung, er macht Werbung. Regierungswechsel muss sexy sein.

 

Ohne Pathos und mit feiner Ironie zeigt der Film damit auch die tückische Fragilität der Demokratie. Ihr Triumph wird mit griffigen Slogans errungen, mit unterschwelligen Reizen, nicht mit Aufklärung und Idealismus. Die bessere PR-Strategie war ausschlaggebend, das ist der ernüchternde Subtext dieses durchweg spannenden Politdramas.

 

 

¡No! (dto) CHI/F/USA 2012, R: Pablo -Larraín,
D: Gael García Bernal, Alfredo Castro,
Antonio Zegers, 118 Min.