Der Auteur mit der Basskanone

James Blake meldet sich mit neuer Liebe und neuem Album zurück

Der Junge mit dem Subbass ist zurück. Zwei Jahre nach seinem Debüt bringt James Blake sein neues Album »Overgrown« heraus, auf dem er seinen Stil variiert und verfeinert. Ein Sprengselteppich aus Croonversuchen, Pianotupfern und Elektronikstücken, der sich an der großen Geste versucht. Der Grund dafür — Herr Blake ist verliebt. Im Interview spricht er über die Liebe, präparierte Pianos und warum ihm ein Remix mit Essstäbchen lieber ist als einer, der am Computer entsteht.

 

Ihr neues Album »Overgrown« wirkt wie eine spartanische Version ihres recht opulenten Debüts. Wie würden Sie selbst die Unterschiede beschreiben?

 

Ich denke, ich habe gelernt, Songs zu schreiben. Die beiden Songs, mit denen ich bekannt geworden bin — »Limit to your Love« und »The Wilhelm Scream« — stammen eigentlich nicht von mir. Also musste ich mir überlegen, wie ich mit eigenen Songs Eindruck machen kann. Ich wollte, dass meine Hörer Gefühle für die Songs aufbauen — die Gefühle, die ich beim Schreiben hatte.

 

Ihr Debüt wurde gelobt, aber auch scharf kritisiert. Wie geht man mit solchen Reaktionen um?

 

Man sortiert sie. Manche waren aber einfach nur krude, etwa wenn jemand schreibt, dass das Album klingen würde, als ob ein Alien einem die Liebe erklärt. Es war eine Platte über die Abwesenheit von Liebe — intim, zärtlich, aber nicht voller Liebe. Ich war damals nicht verliebt.

 

Das hat sich mittlerweile geändert. Wie hat sich denn dieser neue Beziehungsstatus ...

 

... das klingt aber sehr nach Facebook ...

 

Stimmt. Also, wie hat sich ihre frische Liebe auf das Songwriting ausgewirkt? 

 

Man hat etwas, worüber man reden möchte, einen Horizont, einen Grund, enorm glücklich und zugleich traurig zu sein. Die Liebe gibt einem Abstand und Intimität. Ich habe die Songs mit einer bestimmten Person im Hinterkopf, den Erinnerungen an sie und die gemeinsamen Momente geschrieben.

 

Sie kommen aus der Londoner Bassmusik-Szene. Ist es eigentlich leichter, als Auteur oder als Teil einer Szene Musik zu produzieren?

 

Ich bin zwar nicht mehr wirklich Teil der Szene, aber ich habe noch viele Freunde dort, denen ich meine Stücke schicke. Insofern bin ich vielleicht doch noch ein Teil, auch wenn es sich für mich nicht so anfühlt. Ich weiß auf jeden Fall gut, welche Stücke auf dem Dancefloor funktionieren, das habe ich lange genug gemacht.

 

Inwiefern ist »Overgrown« denn eine Danceplatte?

 

Es gibt einen Track namens »Voyeur«, der eigentlich ein House-Track ist. Er hat das richtige Tempo, einen Vocal-Loop, und dann habe ich den Beat und ein paar Cowbells hinzugefügt. Schon war es ein House-Track.

 

Auf ihrem Album arbeiten Sie mit Brian Eno zusammen. Wie ist es zu dieser Kooperation gekommen?

 

»Digital Lion« ist das Produkt von ein paar Tagen in Enos Haus. Wir haben rumgesessen, Tee getrunken, ein paar Platten gehört und gelacht. Eno war eine Art Regisseur hat die Richtung vorgegeben, wir haben gespielt und das aufgenommen. Ich weiß nicht genau, was passiert ist.

 

Gibt es denn eine bestimmte Phase von Brian Enos Schaffen, die Sie besonders gerne mögen?

 

Ich kannte vorher gar nicht so viel von ihm und nichts von Roxy Music. Es gibt viele Künstler, die ich mag, so wie Joni Mitchell, Sigur Ros oder einige HipHop-Künstler, die ich aber erst alle spät entdeckt habe. Ich besitze nur wenige Platten, die ich dafür umso intensiver höre. Darunter sind auch viele Klavier­platten — das ist halt so, wenn man das Instrument spielt.
Sie manipulieren ihre Stimme mit Effekten, aber die Instrumente klingen auf ihren Platten doch recht konventionell. Manche sind auch manipuliert, aber beim Klavier hat man das Problem, dass es schwer ist, es nicht wie das Klischee eines präparierten Klaviers klingen zu lassen. Ich will das gar nicht aufdröseln, es gibt viele verschiedene Wege, einen bestimmten Klang zu erzeugen und mich hat das Equipment nie interessiert. Ich benutze niemals den gleichen Sound zweimal.

 

Würden Sie Ihre Stücke für einen Remix freigeben?

 

Sie haben das Remixen ja mal als »musikalische Prostitution« bezeichnet. Damit habe ich Leute gemeint, die mehr Remixe als eigene Musik produzieren, weil man damit leichter Geld verdienen kann. Meine eigenen Stücke würde ich am liebsten von jemandem remixen lassen, der kein Dance-Producer ist — Bon Iver zum Beispiel. Das wäre dann kein Remix mehr, sondern er würde ein paar Essstäbchen benutzen oder ein Klavier und es dann von der anderen Seite der Tür aus aufnehmen. Das fände ich interessant.

 

Mein Eindruck ist, dass britische Popmusik im Allgemeinen kaum vom Alltag zu trennen sind. Spiegeln sich Ereignisse wie die London Riots in Ihrer Musik?

 

Ich weiß nicht genau, wie ich das beantworten soll. Für mich hat sich vieles verbessert. Ich fühle auch keine spezielle Verbindung zur britischen Gesellschaft, vielleicht noch zu London, weil ich dort einen Clubabend hoste. Aber wir haben dort Besucher aus der ganzen Welt. Ich finde, es ist offensichtlich, dass die Reichen nicht zur Verantwortung gezogen werden, was aber immer schon der Fall war. Nur begreifen es die Leute jetzt und sind wütend. Aber ich habe keine Pläne, politische Musik zu machen, und die Ereignisse auch keine Auswirkungen auf meine Musik oder den Clubabend gehabt. Ich hoffe, dass ich außerhalb von diesen Dingen existieren kann.

 

Tonträger: James Blake, »Overgrown« (Universal)