New Hollywood

Die Legende lebt. New Hollywood, eine kurze Ära von ungefähr 1967 bis 1976, deren Taktgeber — oder zumindest einige von ihnen — sich von Anfang an in mythologischen Dimensionen dachten: Sie kamen, um die Filme zu machen, die seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten wie Waisen im Hinterzimmer des kollektiven Fantasiehauses ihrer Stunde harrten. Ein Kino der Verheißung. Sehr biblisch, das passt aber zu den manchmal messianischen Momenten dieser Ära, als junge, schöne Intellektuelle wie die Heerscharen Moses’ von allen Bergen des Landes herab nach Hollywood stapften, um ein anderes, authentisch amerikanisches Filmschaffen auf der fruchtbaren Erde der kollektiven Sehnsucht nach einer allumfassenden Veränderung zu kultivieren.

 

Die Wirklichkeit des Kinos jener Jahre ist ungleich schillernder und vielgestaltiger als alles, was man zu träumen wagte, weil es dicht gepackt ist mit ästhetischen wie produktionstechnischen Problemlösungen aller Art. Es gibt keine Frage, die sich ein Regisseur stellen kann, für die sich hier keine Antwort findet. Und genau wegen dieser enzyklopädischen Dimension ist New Hollywood heute genauso bedeutend wie vor knapp einem halben Jahrhundert.

 

Der Filmclub 813 schaut sich die nächsten Wochen und Monate hindurch diese Periode einmal kursorisch an — ein Crashkurs, der mit Werken eher aus dem Zentrum der Filmindustrie beginnt. Sidney Pollack legte mit seiner Horace-McCoy-Adaption »They Shoot Horses, Don’t They?« (1969) eine Messlatte auf, die in der Folge fast jeder riss. Swinging-London-Import John Schlesinger lieferte mit »Midnight Cowboy« (1969) den ersten Skandal (schwuler Sex). Robert Altman definierte mit »M.A.S.H.« (1970) die Cine-Ethik des neuen linksbürgerlichen Kompromisslertums, während Bob Rafelsons mit seinem eher aus dem Off denn aus Hollywood kommenden »Five Easy Pieces« (1970) die Grundlage eines neuen Amerika-Mythos schuf.