»Die Sprache ist härter geworden«

Ayla Güler Saied hat eine Studie über migrantischen HipHop geschrieben

Rap in Deutschland — auch nach gut dreißig Jahren ist das noch der Stoff von Legenden und Projektionen. Die Kölner Soziologin Ayla Güler Saied arbeitet dem entgegen. Für ihr gleichnamiges Buch hat sie Rapper und DJs aus dem gesamten Bundesgebiet in ausführlichen biographischen Interviews zu Wort kommen lassen und zeichnet so ein Sittengebilde dessen, wie man in Deutschland mit einer Jugendkultur umgeht, die man immer wieder als »fremd« beschreibt. 

 

Frau Güler Saied, wie kommt man dazu, eine Doktorarbeit über HipHop in Deutschland zu schreiben?

 

Ich komme aus der Migrationsforschung. Als ich 2006 mit der Arbeit begann, gab es einen Boom von Straßen- bzw. Gangsterrap,  die Porzer Crew Deadline wurde etwa im Stadtanzeiger und WDR interviewt. Als Jugendliche habe ich selbst HipHop gehört,  mich interessierte, wie sich das Thema akademisch angehen lässt. Also habe ich mir die vorherige Forschung angesehen und festgestellt, dass die Perspektiven auf HipHop sehr ideologisch waren. 

 

Welche ideologischen Perspektiven waren das?

 

HipHop war die erste Jugendkultur in Deutschland, in die Migranten-Jugendliche involviert waren. Zuerst als Sprayer und Breakdancer, gegen Ende der 80er Jahre auch als Rapper. Zur gleichen Zeit kam es zu den rassistischen Brandanschlägen und Pogromen in Hoyerswerda oder Solingen. Zu dem Zeitpunkt haben die Medien die Rapszene als Ort beschrieben, wo Migranten und Deutsche vereinigt sind und sich gemeinsam gegen Rassismus positionieren. Aber für die Jugendlichen war das eine Selbstverständlichkeit. Sie haben sich in erster Linie für die Musik interessiert  und an zweiter Stelle Rap als Minderheiten-Kultur adaptiert. Anfang des letzten Jahrzehnts, als Gangster- und Straßenrap boomten, war HipHop dann auf einmal ein Beleg für die verfehlte Integration von Migranten. Die Medien haben über den HipHop abermals Fremdheit markiert.

 

Sie haben gerade Gangster-Rap erwähnt — dessen Sprache ist aber schon heftiger als es im HipHop 90er Jahre üblich war.

 

Ja, die Erzählungen und die Sprache haben sich geändert, die Sprache ist härter geworden. Aber die Inhalte sind gleich geblieben. Lässt man die Schimpfworte und Verbalattacken beiseite, sagen die Rapper im Kontext von gesellschaftlicher Zugehörigkeit: »Ich bin hier geboren, ich gehöre dazu, ich will anerkannt werden.« 

 

Gangster-Rap und seine Bilder von dicken Autos und exzessiven Partys wurde in Deutschland populär, als die ökonomische Spaltung der Gesellschaft stärker deutlich wurde. Drückt HipHop nicht vielleicht »nur« diesen Wandel aus?

 

Es gibt da große Widersprüche. Zum einen muss man sich fragen, warum Rapper wie Massiv, Bushido oder Xatar so erfolgreich sind, auch bei eher bürgerlichen Jugendlichen. Man wirft ihnen vor, dass sie rassistisch, ho--mophob, frauenfeindlich seien — alles Aspekte, die man gerne von sich weisen würde. Die Gangster-Rapper multiplizieren diese Stigmata und inszenieren sie dann explizit. Die Vorwürfe sind eine andere Externalisierung als in den 90ern, wo HipHop als »Multikulti« verharmlost wurde. Und sie ist scheinheilig, wenn man nur mal an den allgemeinen Sexismus denkt, zum Beispiel die Pornoindustrie. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, kein für HipHop spezifisches.

 

Was genau ist an einem Rapper echt und was inszeniert?

 

Eigentlich ist das nicht zu beantworten. Straßenrapper müssen halt immer authentisch sein. Fragt man Rapper, dann sagen sie aber durchweg, dass es Kunst sei. Das hat auch nichts mit der Kontroverse »Underground oder kommerziell« zu tun. Scope von den Rude Poets — eine der ersten Kölner HipHop Crews — sagt, dass die Rapper heute nicht mehr Musik der Musik wegen machen, sondern ein Image bedienen. Und dann müssen sich die Leute mit imaginären Vorstrafen übertreffen. Das gehört halt zum HipHop dazu. Aber das ist trotzdem wichtig, weil so zum Beispiel die Standpunkte von Jugendlichen nach außen getragen werden, an--statt immer wieder über die »Pro-blemviertel« der Rapper zu reden und die Schuld dafür den Jugendlichen in die Schuhe zu schieben. Vielmehr müssen sie als Auswirkungen von politisch-struktureller Benachteiligung gesehen werden.

 

In welchen Kölner Stadtteilen spielt sich HipHop ab?

 

Es geht nicht nur um die einzelnen Stadtteile, sondern innerhalb der Stadtteile auch um kleine Straßen. In Köln spielt sich HipHop aber dann eigentlich überall ab — in Flittard gibt es die Microphone Mafia, dann Die Firma, Deadline oder Komekate kommen aus Porz. In Mülheim, wo ich wohne, oder auch in Chorweiler gibt’s viele Jugendliche, die rappen und ihre Videos auf YouTube hochladen. 

 

Wie kann man über HipHop berichten ohne in ethnisierende Zuschreibungen zu verfallen?

 

Das ist schwierig — aus wissenschaftlicher Perspektive muss man auf herrschende Kategorien zurückgreifen, um Probleme benennen zu können. Der Umgang mit Migration im Rap ist ein Spiegel für den Umgang mit Migration in Deutschland. Schaut man genauer hin, erledigen sich viele Klischees von selbst, etwa das Rappen und HipHop eher für die soziale Unterschicht zugänglich sei, die dort ihre Gang-Allüren auslebe. Ich habe  in meiner Forschungsarbeit festgestellt, dass die meisten HipHopper zuerst an der Musik interessiert waren und meistens auch ein Instrument gespielt haben. Die DJs wiederum haben in der Regel eine große Musiksammlung und das entsprechende Equipment. 

 

Zum Abschluss: Was ist denn Ihr Lieblings-HipHop-Track?

 

Ich höre eher alte Sachen, von daher: »Self-Destruction« von KRS-One.