Punk’s Not Dead!

Anarcho-Komödie: »Der Tag wird kommen« von Benoît Delépine und Gustave de Kervern

Er ist die Verweigerung auf Beinen. Er nennt sich »Not«, wie »nicht« im Englischen, und so steht das auch auf seiner Stirn. Zugute hält er sich, mit knapp unter 50 der älteste Köterpunk Europas zu sein. Zukunft? Keine. Vielleicht gerade deshalb ist sein Lebensentwurf im Zeitalter anhaltender Finanzkrisen und Pleitestaaten ungeheuer zukunftsfähig. Er hat längst eingeprobt, was vielen schon oder womöglich blüht: das Leben auf der Straße, das Duschen im Brunnen, das Leben im Hier und Jetzt.

 

Krisenverlierer und Nots erster Schüler ist sein in bislang wattierten Verhältnissen lebender Bruder, der mit einem Mal vor den Scherben seiner Existenz als Verkäufer hochflauschig anpassungsfähiger Matratzen steht. Eine Rasur später ist auch der ängstliche Bürger ein Punk mit Nom de Guerre »Dead« auf der Stirn. Gemeinsam sind sie noch lange nicht tot und ein bisschen wie Don Quijote und Sancho Panza, heilige Narren in wahnsinnigen Zeiten, üben sie die Praxis der Revolte ein.

 

Revolte ist für die Regisseure Benoît Delépine und Gustave Kervern immer auch auf undisziplinierte, geradezu urwüchsige Weise eine Sache des Körpers. Man denke an ihre Rollstuhlfahrer-Komödie »Aaltra«, an die Klassenkampf-Groteske »Louise Hires A Contract Killer« oder an den zotteligen Gérard Depardieu (der hier einen Gastauftritt hat) in »Mammuth«. In dem sozialen Realitäten völlig enthobenen, apathischen, aber plastikbunten Gewerbegebiet, in dem »Der Tag wird kommen« über weite Strecken spielt, untergraben Poelvoordes mal alberne, mal subversive Kapriolen stets aufs Neue die verinnerlichten Vorgaben des Disziplinarapparats. Als ungebändigter Körper macht er den eng gesteckten Rahmen eines überzivilisierten Raums geradezu physisch spürbar.

 

Schön ist der Film aber auch als geradezu irreales Krisen-Stimmungsbild: Wegen der Krise, heißt es an einer Stelle, könne Dead keine neue Stelle kriegen. Erbost schlägt Not vor gutgefüllten Regalen um sich und mokiert sich: Welche Krise denn? Er sehe hier keine Krise.

 

Wie das Geld und viele Lebensumstände ist auch die Krise hier, an diesem UFO-artig der Welt aufsitzenden, der Wirtschaftslogik unterworfenen Ort, eine Sache der Virtualität. Abstrakt wie das Geld, das die Zentralbank täglich in die Systemstützung pumpt. Dabei sind genug Waren für alle da. Und dank einer kongenial trockenen Inszenierung ist man sich bald auch als Zuschauer seines eigenen Körpers im Kinoraum wieder bewusst.