Psycho?

Thriller ohne Nebenwirkungen: »Side Effects« von Steven Soderbergh

Ein Film wie ein Zauberwürfel, dessen Farben man erst fein säuberlich sortiert, dann mutwillig und mit einigem Spaß durcheinander bringt und der dann, wenn man sich an die Rekonstruktion macht, plötzlich ein ganz anderes Muster zu zeigen scheint.

 

Rooney Mara ist als Emily Taylor zunächst ein verhuschtes, rehäugiges Geschöpf, zerbrechlich und schutzbedürftig — ziemlich das genaue Gegenteil ihrer Rolle in David Finchers »Verblendung«. Dass sich hinter dieser Fassade eine andere, wenn auch nicht authentischere Persönlichkeit versteckt, ahnt man bald. Emily ist in psychiatrischer Behandlung. Ihr Psychiater diagnostiziert chronische Depression und verschreibt ihr ein neues Medikament namens »Ablixa«, das tatsächlich in Windeseile Emilys Befindlichkeit und ihre Beziehung zum gerade aus dem Gefängnis entlassenen Ehemann Martin zu verändern scheint. Bald nehmen allerdings die Nebenwirkungen überhand.

 

Um das Pharmaindustrie-Thema — auf das schon der Titel verweist und das sich irgendwie auch in den wiederkehrenden Hochglanzfassaden der kapitalistischen Welt widerspiegelt, die den Film visuell durchdringen — geht es in »Side Effects« allerdings nur im ersten Filmdrittel. Es folgt ein radikaler Bruch, der nicht zufällig an den Moment in »Psycho« erinnert, in dem Alfred Hitchcock seinen Zuschauern unter der Dusche den Boden unter den Füßen wegzieht. Was folgt, ist eine Variation eines Lieblingsmotivs des master of suspense: Ein unschuldiger, naiver Jedermann muss sich gegen einen paranoid grundierten Verdacht und kaum greifbaren Gegner zur Wehr setzen.

 

In dieser mittleren Phase ist der Film toll, weil er nachvollzieht, wie es sich anfühlt, wenn alle Sicherheiten in sich zusammenfallen und man plötzlich nichts mehr um sich herum korrekt entschlüsseln kann: kein Wort, keinen Gesichtsausdruck, keine körperliche Zuwendung. Kurz: Wenn der Alltag seine Alltäglichkeit verliert. Leider hält Kon­trollfreak Steven Soderbergh auch in diesem, seinem (angeblich) letzten Kinofilm vor der Selbstfrühverrentung eine solch existenzielle Unsicherheit nicht lange aus. Und so setzt er sein Kartenhaus alsbald wieder neu und zwar ziemlich fugenlos zusammen. Die Spannung entweicht, aus den Gesichtern wie aus den Bildern. So streicht sich der zunächst elegante, letztlich aber wieder einmal allzu glatte Film am Ende selbst durch.