Durch die Pubertät endlich zum Erfolg

Eine Ausstellung und ein Interview-Buch beschäftigen sich mit dem Mythos Kippenberger

»Wer war Kippenberger wirklich?« Ach herrje. Vermutlich hätte der gefeixt über solch flachschürfende Enthüllungsfloskel, die eine Rezension von »Kippenberger & Friends« garniert. Oder er hätte flux noch einen drauf gesetzt, sie verwurstet und vereinnahmt in einer seiner unzähligen Selbstinszenierungen. Wer war Martin Kippenberger, jetzt mal wirklich?

 

Nachweislich Maler, Musiker, Produzent, Barbesitzer; in der Beurteilung Genie, Selbstdarsteller, Dilettant, Charismatiker, Rüpel, Witzbold, Visionär. Geboren 1953 in Dortmund, gestorben 1997 an den Folgen seines exzessiven Lebens. Zum 60. Geburtstag ist im Hamburger Bahnhof in Berlin die Retrospektive »Sehr Gut/Very Good« zu sehen. Die Schau sollte besuchen, wer sich mit diesem einflussreichen Werk endlich oder noch einmal in Fülle beschäftigen will: die Frosch-Kreuzigung, der Beuys-Remix »Jeder Künstler ist ein Mensch«, die Selbstporträts in weißer Picasso-XXL-Unterhose, die Skulptur »Martin, ab in die Ecke und schäm Dich«, alles da. Den Künstler, die private und öffentliche Person Kippenberger gleichermaßen zu beleuchten, ist bei diesem Werk tatsächlich sinnvoll — aber auch verhext, verheddert man sich doch in Selbstmystifizierungen und einer immer schon fiktionalisierten Biografie.

 

Gleiches gilt für die im Distanz Verlag erschienene Publikation »Kippenberger & Friends«. Herausgeberin Josephine von Perfall hat 25 Gespräche mit Weggefährten, Künstlern, Galeristen und Kuratoren geführt. Herausgekommen ist ein Kompendium, in dem etwa Max Hetzler, Kasper König, Albert Oehlen, Helmut Middendorf, Johannes Wohnseifer oder seine letzten Ehefrau Elfie Semotan Interessantes und Belangloses erzählen. Dabei entsteht, aus unterschiedlichsten Perspektiven, durchaus ein Bild dieses bewegten Künstlerlebens und des zeitgeschichtlichen Kontexts. Erhellend Lukas Baumewerds Berichte über die Projekte METRO-Net und MOMAS, Werner Büttners pointierte Sätze über den Kollegen oder Gisela Capitains persönliche Erinnerungen an dieses »Role model eines kritischen Künstlers«.

 

Das Unterfangen, fast zwanzig Jahre nach Kippenbergers Tod zu ergründen, welche Rolle er als Künstler und Netzwerker für die Entwicklung der deutschen Nachkriegskunst gespielt hat, bleibt eine Annäherung. Er selber hat seinen Standpunkt schon 1977 in einem frühen Selbstporträt klar gemacht: »Einer von Euch — unter Euch — mit Euch«. Auch das war Selbstinszenierung.