Verspargelt

Nachtisch - die Gastro-Kolumne

Allen meteorologischen Kapriolen zum Trotz: Auch dieses Jahr ist noch bis Johannis am 24. Juni Spargelsaison. Doch der Cover-Star der Rezept-Magazine nervt. Auch wegen des Brimboriums, das seine Anhänger auf den Wochenmärkten jetzt veranstalten. Man denke nur an den albernen »Quietsch-Test«. Dem Spargel-Kult kommt in seiner Maßlosigkeit wohl nur die Überbewertung von Beaujolais oder Büffelmozzarella gleich.

 

Und doch: In einer Welt, wo Supermärkte selbst die exotischs­ten Früchte stets vorrätig und öde Merlot-Plörren aus den entlegensten Anbaugebieten herbeigeflogen werden, sollten wir die begrenzte Spargelsaison als Korrektiv zur ständigen Verfügbarkeit begreifen. Der Spargel ist ein Affront gegen den Zeitgeist: als Ramschware ungeeignet, nur begrenzte Zeit erhältlich und  einer industriellen Ernte entzieht er sich auch. Obendrein fällt er uns Kunden auch noch lästig: Das weiß, wer jemals ge­wis­senhaft Spargel schälte und dennoch später samt seinen Gästen auf strohigen Fäden kaute.

Der Spargel ist außerdem ein Gegenentwurf zur ernährungspädagogischen Funktionalisierung des Kulinarischen. Spargel besitzt kaum nennenswerte Nährwerte. Spargel-Diäten, Spargel-Dragees oder Spargel-Flavour lassen sich nicht am Markt platzieren. Wann wurde sonst je ein Gemüse als Delikatesse beworben, ohne zugleich als krachende »Vitamin-Bombe« etikettiert zu werden?

 

Ach, aber wie dankt man dem Spargel seinen Widerstand gegen den Zeitgeist? Die Spargel-Karten lassen am Verstand vieler Spargel-Verehrer zweifeln: überbacken, vom Grill, als Spargelsuppe mit Garnelen. Und immer wieder vermeintlich ­klassisch beerdigt unter einer Pampe namens Sauce Hollandaise — obwohl Spargel nicht mehr benötigt als etwas Butter. Auch das lehrt uns der Spargel: wie Gutes unter der Maßgabe der Optimierung sich in sein Gegenteil verkehrt.