Köln 5 Uhr 30?/?13 Uhr 30?/?21 Uhr 30

Der Titel ist Programm. »Köln 5 Uhr 30?/?13 Uhr 30?/?21 Uhr 30« zeigt zehn Kölner Orte um halb sechs Uhr morgens, halb zwei mittags und halb zehn abends, jeweils in ungefähr zweieinhalbminütigen 360-Grad-Schwenks, ohne Kommentar, ohne Musik. Der Filme­macher Dietrich Schubert hat seine Kamera an jene Orte in der Stadt gestellt, die 1970 der Kölner Fotograf Chargesheimer für sein damals umstrittenes, heute für vierstellige Summen gehandeltes Buch »Köln 5 Uhr 30« aufgesucht hatte. Jede Sequenz beginnt mit einem der hochformatigen Schwarz-Weiß-Fotos Chargesheimers, dann wird daneben (mit leicht größerer Brenn­weite) der heutige Blick auf die selbe Stelle eingeblendet. Nach einigen Sekunden verschwindet das Foto, die aktuelle Ansicht weitet sich leinwandfüllend und der erste Schwenk beginnt.

 

Schubert verzichtet auf eine Ästhetisierung seiner Bilder. Weder haben sie die Aura der analogen Originale von Chargesheimer, noch stellt sich der hyperreale Eindruck moderner HD-Kameras ein. Während der Schwenks wird die Kamera auf dem Stativ lediglich zum Teil leicht nach oben oder unten geneigt, um stimmigere Bildausschnitte zu ermöglichen.

 

Warum man sich so etwas im Kino angucken sollte? Weil das Kino einer der wenigen Orte ist, die heute noch zur Konzentration nötigen und zugleich Langeweile zulassen. Das ist nicht ironisch gemeint. Lan­geweile ist die Voraussetzung dafür, seine Gedanken zu öffnen, die Realität vielleicht anders wahrzunehmen. Nach etwa einer halben Stun­de von » Köln 5 Uhr 30?/?13 Uhr 30?/?21 Uhr 30« hat man sich auf den gemächlichen Rhythmus der Schwenks eingestellt und im besten Fall weicht die innere Unruhe den Gedanken über das, was man auf der Leinwand sieht. Schuberts Film lädt zu Reflexionen ein über die Un­terschiede zwischen Film und Fotografie, Kino und Realität und nicht zuletzt Köln gestern und heute.

 

Da stört nach der ersten Se­­quenz nur ein Einschub, der per Off-Kommentar und Fotos die Bedeu­tung von Chargesheimer und »Köln 5 Uhr 30« im Duktus eines Lexikoneintrags erklärt. Eine offen­sichtliche Konzession an die betei­lig­ten Fernsehsender, wo­durch Schu­berts Film zwar keine Fernsehdokumentation wird, aber er verliert seine innere Logik — wie Konzeptkunst, die ihr Konzept verrät.