Gesetze der Schwerkraft

Väterdrama in drei Akten: »The Place Beyond The Pines« von Derek Cianfrance

Er streift die Lederjacke über, betritt das Jahrmarktszelt, wo die Menschen ihn grölend erwarten. Er steigt auf sein Bike und fährt hinein in den riesigen kugelförmigen Käfig, in dem er mit zwei weiteren Motorradfahrern über Kreuz seine Loopings zieht. Die erste Szene von Derek Cianfrances »The Place Beyond The Pines« ist ein metaphorisches Kondensat dessen, was in den nächsten 140 Kinominuten auf der Leinwand zu sehen sein wird. Wie die Motorradfahrer im Käfig sind auch die Hauptfiguren, deren Wege sich in diesem Drama immer wieder überkreuzen, Gefangene des Schicksals, die die Gesetze der Schwerkraft punktuell außer Kraft zu setzen scheinen, sich aber dennoch im­mer im Kreise bewegen. Allerdings bleiben die Loopings im echten Leben nicht ohne Unfallfolgen.

 


Als der Jahrmarktreisende Luke erfährt, dass aus der kurzen Affäre mit Romina ein Sohn hervor­gegangen ist, will er sein Vagabundenleben aufgeben. Um Frau und Sohn ernähren zu können, begeht er Banküberfälle und gerät ins Visier der Gesetzeshüter, womit eine zweite Lebensgeschichte beginnt. Polizist Avery Cross, der den Bankräuber stellt, wird als Held gefeiert. Fünfzehn Jahre später hat er sich zum Bezirksstaatsanwalt hochgearbeitet. Genau wie Luke hat auch Avery einen Sohn. Als die beiden Jungen sich in der Schule anfreunden, werden sie vom Schicksal ihrer Väter eingeholt.

 


Mit Shakespeare’scher Wucht lässt Cianfrance (»Blue Valentine«) seine beiden Hauptfiguren und damit zwei vollkommen konträre soziale Realitäten aufeinander pral­len. Im Zentrum der dreigeteilten Geschichte stehen zwei Männer, die mit den fatalen Konsequenzen ihrer Lebensentscheidungen konfrontiert werden. Gemeinsam ist beiden die Verletzlichkeit und der Zweifel, dem sie nicht nachgehen, was für sie und ihre Söhne tragische Konsequenzen hat.

 


Anders als in »Blue Valentine« setzt Cianfrance in diesem Drama auf eine schnörkellose, lineare Er­zähl­weise, die die Entwicklung der Figuren innerhalb der moralischen Konflikte zügig vorantreibt. Ryan Gosling ist fabelhaft als verwegener Jahrmarktsmacho, der seine väterlichen Fürsorgegefühle entdeckt. In der Rolle des windigen Gesetzeshüters zeigt Bradley Coo­per, dass es nach »Silver Linings« noch mehr an ihm zu entdecken gibt. Ihre schauspielerische Präsenz und Cianfrances konzen­trierte Erzählweise sorgen dafür, dass die­ses ambitionierte Schicksalsdrama nie ins Prätentiöse verfällt und seine Grundspannung über fast zweieinhalb Kinostunden anhält.