Es geht um die Wurst
Was man schmeckt: das Fett, die in die Wurst eingearbeiteten Gewürze und die brutalen Aromen des Grillrosts. Gegen dieses Geschmacksinferno sind die bereitgestellten Grill-Saucen nur ein unzureichendes Gegengift. Würste und Koteletts auf Balkonen, Terrassen und in Parks zu grillen, das ist das nassforsche Bekenntnis zum Primitiven. Es geht nicht um gutes Essen, es geht um Einfachheit und Ehrlichkeit. Die Wurst, zumal die verbrutzelte, ist Sinnbild dieser Auffassung.
Und doch ist das Grillen alles andere als authentisch. Einerseits beschwört der Grillende die kulinarische Vormoderne, andererseits werden abgepackte Industrieprodukte auf den Rost gelegt. Hochwertiges, teures Bio-Fleisch — das ist den meisten dann aus gutem Grund doch »zu schade« für den Grill.
Weitere Widersprüche offenbart die Ideologie des Grillens. Während die Wurst im erbärmlichsten Zustand noch oder gerade für delikat befunden wird, inszeniert sich der Griller in Bezug auf das Bier als feinnerviger Perfektionist. Geringfügige Abweichungen der idealen Trinktemperatur nach oben erträgt er nur widerwillig. Wir halten fest: Die Wurst darf wie Kohle schmecken, das Bier aber keinesfalls wärmer als fünf Grad Celsius sein. Beim Essen ein Neandertaler, beim Trinken ein Snob.
Die Temperaturkontrolle des Fleischs wird nachgerade verhindert. So hat sich als einzig zulässiges Grillgerät der Dreibeiner aus dem Baumarkt etabliert. Wer es wagte, einen Elektro-Grill zu nutzen — mit dem sich immerhin akzeptable Ergebnisse erzielen lassen — wird schon als Schnösel diskreditiert.
Ich war neulich zum Grillen eingeladen. Die Gastgeber genierten sich ein wenig, als sie ihren teuren Hightech-Gasgrill aus der Garage in den Garten bugsierten. Das imposante Gerät besaß eine Temperaturkontrolle und viele weitere technische Features. Nach Steinzeit sah da nichts aus — und die Wurst vom Metzger schmeckte vorzüglich.