Russian’n’Roll

Mit der Premiere von Maxim Gorkis »Die Letzten« endet die Ära Karin Beier

Karin Beier hatte sie in einen ­Container gepfercht, bei Regisseur Sebastian Nübling verfügt sie über die ganze Fläche der Expo-Halle und zerfleischt sich trotzdem: die schrecklich faszinierende Prekariats-Familie, das Zerrbild einer an verfaulten Gesellschaftsstrukturen erkrankten Keimzelle. Wie in Beiers Ausnahme-Inszenierung »Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen« gibt Markus John in »Die Letzten« von Maxim Gorki den Tyrann, Julia Wieninger die abgehärtete Gattin; auch ein paar der Kinder spielen wieder: Lina Beckmann, Jan-Peter Kampwirth und Jennifer Frank.

 

Das gesamte Ensemble saust den Abend über auf Rollschuhen über die Bühne. Ein rätselhafter Regieeinfall, der sich mit etwas Mühe als unsicherer Boden unter den Füßen interpretieren ließe. Schließlich dürfen später nur die Figuren in festem Schuhwerk auftreten, die sich gegen den Patriarchen durchsetzen. Während dieser die Familie als Bollwerk glorifiziert, kommt das Nesthäkchen zu einem anderen Fazit: »Menschen sind beschissener Dreck.« Was Maxim Gorki als analytisches Drama knapp zehn Jahre vor der Oktoberrevolution von 1917 verortete, hat Nübling in schnoddriger Sprache schlüssig ins Jetzt versetzt.

 

So eine erhellende Zeitlosigkeit prägte viele der älteren bis antiken Stücke der Ära Beier wie auch zuletzt ihre Inszenierung von Euripides’ »Die Troerinnen«. Eine weitere Handschrift ihrer Intendanz ist die gesellschaftspolitische Wachheit und kluge Leidenschaft, die in dem triumphalen Jelinek-Abend »Das Werk/Im Bus/Ein Sturz« gipfelte. Vor allem aber lag es an Karin Beiers künstlerischer Klarsicht und ästhetischem Wagemut, dass sie das Kölner Schauspiel nach quälend langen Jahren in der provinziellen Mittelmäßigkeit wieder in die erste Klasse führte. Auch durch die Auswahl der richtigen Regisseure, wie etwa Katie Mitchell, die seit »Wunschkonzert« immer wieder Sehgewohnheiten durch das Live-Filmen auf der Bühne herausforderte. Oder das dänische Kollektivs SIGNA, das mit »Die Erscheinungen der Martha Rubin« für die erste von vielen Einladungen zum Berliner Theatertreffen sorgte und mit weiteren Performances kleine Theaterrevolutionen in Köln auslöste.

 

Denkt man an solche Glanzstücke, kommt mit »Die Letzten«, der finalen Premiere unter der Intendantin, gewiss nicht das Beste zum Schluss. Dennoch fällt der Abschied schwer, als die Familie schließlich von der Bühne rollt und mit ihr die herausragenden Schauspieler, die das Haus sechs Jahre lang prägten und deren Zeit in Köln ebenfalls endet.