Lost in Sound

Eurohorror-Hommage: "Berberian Sound ­Studio" von Peter Strickland

 

Gilderoy steht da in diesem irgendwie zu langen und eigentümlich von allem Leben entleerten Flur, als sei er aus Zeit und Raum gefallen — ein Außerirdischer. Dabei ist er einzig ein Genie des Filmtons, ein Sensibler, wenn es um Geräusche und deren Besonderheiten geht. Ein Brite, den es nach Italien verschlagen hat, in den 1970ern —

 

so scheint es zumindest den Klamotten nach. Gerufen hat ihn Santini, ein Regie-Auteur des Grauens und Prachtexemplar von Giallo-Gott. Santini will, dass Gilderoy ihm für sein aktuelles Werk bislang noch nie da gewesene Töne des Schreckens schafft — und dass er ihm dabei gehorcht.

 

Gilderoy erträgt die Arbeit an der Schöpfung von Schmerzensschreien und Körperzerschmetterungsklängen immer weniger, ist angewidert von der Unterwürfigkeit sämtlicher Angestellten des Tonstudios gegenüber dem Maestro und von dessen dumpfem, schamlosem Machismo im Umgang mit den Synchronsprecherinnen. Er entwickelt einen Ekel vor seinem Auftraggeber, der seinen moralischen Kern anzuätzen beginnt.

 

»Berberian Sound Studio« verbeugt sich vor dem Euro-Horrorkino der 60er und 70er: Der fabelhafte Vorspann für Santinis Werk legt eine Verwandtschaft mit Michael Reeves’ Monument »Witchfinder General« (1968) nahe, während die Geschichte — wie sie sich über einige wenige Dialogfetzen erschließt —, an Dario Argentos »Suspiria« (1976) erinnert. »Berberian Sound Studio« ist auch eine Hommage an die alte Kunst der Geräuschemacher, ein absolut perfekt gearbeiteter, inspirierender Essay über das Verhältnis von Bild und Ton im Film, lässig die Zone zwischen Avantgarde und Pulp auslotend. Was am Anfang nicht so klar ist, dann aber immer mehr in den Vordergrund rückt, ist die ethische Dimension des Werks.

 

»Berberian Sound Studio« erweist sich gegen Ende nämlich als eine Variation des berühmten Stanford-Prison-Experiments, in dem es um die Abrichtbarkeit des Menschen ging. Man erinnert sich: Fast jede/r wird ganz schnell gleichgültig gegenüber dem Leid anderer, fast jede/r scheint in der Lage, Grausamkeiten zu begehen, wenn nur eine Autorität ihr/ihm sagt, dass es in Ordnung ist. So wird hier das Tonstudio zum Labor und das Kino zur moralischen Anstalt, in der alle Profi-Recht­haber lernen können, wie sie ihrer Kunst und ihrem Nächsten gerecht werden.