»Die Schönheit liegt in der Unbeholfenheit«

Schön peinlich: Noah Baumbach über seine neue Komödie Frances Ha, die Liebe zur Nouvelle Vague und seine vielfach begabte Hauptdarstellerin Greta Gerwig

»Frances Ha« ist ein Film über die Bedeutung von Freundschaft. Sind Freundschaften heutzutage haltbarer als Liebesbeziehungen?

 

Ich habe sehr enge Freunde seit meiner Kindheit und sehe sie als eine Art Familie. Das Gleiche gilt für Greta (Gerwig, Hauptdarstellerin und Ko-Autorin des Drehbuchs; Anm. d. Red.) und ihre Freunde aus der Studienzeit. Aber als ich Ende 20 war, gab es eine Phase, in der meine Freundschaften einfach dadurch in Gefahr gerieten, dass man ernsthafte Beziehungen einging. Darüber habe ich viel nachgedacht, als ich »Frances Ha« geschrieben habe. Für Greta ist das ganz aktuell, sie ist in dem Alter, in dem sich Freundschaften dadurch verändern, dass man nicht mehr automatisch alles zusammen macht, sondern planen muss, um sich zu sehen.

 

Titelheldin Frances akzeptiert nicht, dass ihre beste Freundin mehr Zeit mit ihrem Partner verbringt: Symp­tom dafür, dass sie nicht erwachsen werden will, und Lieblingsthema der US-Komödie der letzten Jahre— nur geht es da immer um Männer. Wollten Sie sich davon abgrenzen?

 

Ich wollte zeigen, dass Frauen genauso unreif sein können wie Männer. (lacht)Frauen werden in diesen Filmen meist als kontrollwütig dargestellt. Frances ist das genaue Gegenteil. Ganz im Ernst, ich habe »Frances Ha« nicht als Gegenentwurf zu diesen Filmen geplant. Mein Debüt »Kicking and Screaming« handelt von Männern, die damit kämpfen, erwachsen zu werden. Mich interessiert das Problem sowohl von weiblicher als auch männlicher Seite.

 

Wie schaffen Sie es immer wieder, kleine, peinliche Alltagssituationen so treffend darzustellen?

 

So sehe ich halt die menschliche Interaktion: als zumeist peinlich. Das mache ich nicht bewusst, das kommt einfach dabei heraus, wenn ich Szenen schreibe, in denen sich Menschen begegnen. Wenn ich eine Abschrift eines meiner Tage hätte, wäre sie voll von solchen Momenten.

 

Der Rhythmus Ihres Films ist sehr auffällig: Von Musik getragene Montagesequenzen wechseln sich ab mit langen Dialogen. War das im Drehbuch schon so angelegt?

 

Ja, vielleicht kann man das ein bisschen mit einem Song von Nirvana oder den Pixies vergleichen, in dem sich schnelle und langsame oder laute und leise Passagen immer abwechseln.

 

David Bowies »Modern Love« sticht aus dem Soundtrack heraus, aber vor allem prägt den Film die Musik des französischen Filmkomponisten Georges Delerue.

 

Wir haben unter anderem Musik aus Truffauts »Sie küssten und sie schlugen ihn« und »Schießen Sie auf den Pianisten« verwendet.

 

Dazu passt, dass »Frances Ha« in Schwarz-Weiß gedreht wurde. Was war der Grund dafür?

 

Durch das Schwarz-Weiß wirkt er zugleich alt und neu. Man denkt dabei an alte Filme, aber es fühlt sich auch frisch an, weil man es nicht mehr oft sieht — besonders nicht in einem Film, der in der Gegenwart spielt. Aber diese Spannung besteht nicht nur im Hinblick auf das Schwarz-Weiß. Wir haben »Frances Ha« ziemlich klassisch und streng gedreht. Er sollte sich nach großem Kino anfühlen, nach Romantik. Daher auch die Musik von Delerue. Zunächst habe ich sie nur genutzt, um zu sehen, ob der Film ihr standhält. Aber als sie einmal drin war, ließ sie sich natürlich nicht mehr ersetzen. (lacht)

 

Soll »Frances Ha« eine Hommage an die Nouvelle Vague sein?

 

Er soll den Geist der Nouvelle Vague einfangen. Ich liebe die Filme von Truffaut und Rohmer, sie fühlen sich so leicht dahingeworfen an, aber das täuscht. In Wirklichkeit sind sie sehr kontrolliert und gut gemacht — und außerdem: lustig, schräg und traurig. Alles, was ich an Kino liebe, ist in ihnen zu finden. In allen meinen Filmen ver­suche ich, diesem Beispiel zu folgen. Durch das Schwarz-Weiß und den beschwingten Rhythmus ist die Verbindung bei »Frances Ha« vielleicht eindeutiger als bei meinen früheren Werken.

 

Wie lief die Zusammenarbeit mit Greta Gerwig am Drehbuch ab?

 

Die Idee für das Drehbuch war anfangs sehr allgemein: eine junge Frau in ihren 20ern in New York. Ich bat sie, mir Anregungen zu schicken. Es dauerte etwas, dann kam aber diese lange Mail mit allen möglichen kleinen Ideen, z.B. für die Szene, in der Frances entscheiden muss, ob sie am Geldautomat Gebühr bezahlt oder einen anderen Automaten sucht. Kleine Szenen, die aber viel über die Figur und unsere Zeit aus­sagen.

 

Gab es beim Dreh Raum für Improvisationen?

 

Nein, ich improvisiere nie in meinen Filmen. Ich brauche sehr lange, um ein Drehbuch auf den Punkt zu bringen. Dann sollte man auch beim Dreh ernsthaft versuchen, das umzu­setzen. Beim Vorsprechen ändern Schauspieler öfter mal Formulierungen, damit es für sie einfacher ist, aber dann ist die Szene meistens weniger gut.

 

Ich frage, weil es bei Greta Gerwig manchmal so wirkt.

 

Darin ist sie sowohl als Schauspielerin als auch als Drehbuchautorin gut. Die Dialoge sind sehr strukturiert, aber auch so geschrieben, dass sie sich wie eine echte Unterhaltung anfühlen.

 

Sie hat außerdem ein großes Talent für physische Komik. Auch wenn sie im Film eine Tänzerin spielt, ihre körperliche Ungeschicklichkeit sorgt für viele Lacher.

 

Sie macht im Film Modern Dance, und bei dieser Art von Choreografien liegt — ähnlich wie bei den Dialogen — die Schönheit oftmals in der Unbeholfenheit.

 

Noah Baumbach
Noah Baumbach wurde 1969 in New York geboren, Mutter und Vater waren beide prominente Filmkritiker und Autoren. »Frances Ha« ist sein siebter Film, in die deutschen Kinos schaffte es aber bislang nur »Der Tintenfisch und der Wal« (2004) und »Greenberg« (2010). Außerdem schrieb er zusammen mit Wes Anderson die Drehbücher für dessen Filme »Die Tiefseetaucher« (2004) und »Der fantastische Mr. Fox« (2009).