Zeitgeist ade

Dirty Horse setzen mit ihrem Bluesrock auf ewige Werte

Die Combo heißt Dirty Horse, die Sängerin Jennifer und gespielt wird lupenreiner Bluesrock. Der Fall scheint klar: Dieser Act ist wie gemacht für bierselige Bikertreffen, Stadtteilfeste in Köln-Brück oder Gigs im Hardrock-Cafe Braunschweig. Doch dann erfährt man weitere Details: Jennifer heißt mit Nachnamen Jones, kommt ursprünglich nicht aus Bitterfeld, sondern aus dem US-amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania — und das erste Konzert fand im geschmackssicheren Kölner Bohème-Hangout King Georg statt. Was ist denn da schon wieder los?

 

Natürlich, Bands wie Alabama Shakes haben den Spagat zwischen Traditionsgemucke und Blog-protegiertem Hipstertum in jüngster Zeit schon erfolgreich vorgemacht. Bei Dirty Horse verhält sich die Sachlage aber etwas anders: Bandleader und Leadgitarrist Jakob Timmermann ist laut Jennifer »ein absoluter Ur-Blueser und Rock’n’Roller«, der schon seit Jahren in der AC/DC-Coverband Ballbreakers spielt und die Musik mit jeder Zelle seines Körpers lebt. Gemeinsam mit den Gründungsmitgliedern Mike Maercker (Schlag­­zeug) und Sebastian Weitzel (Rhythmusgitarre) betreibt er Dirty Horse schon seit einer halben Ewigkeit — so richtig publikumswirksam allerdings erst seit 2011, als sich die Kulturwissenschaftlerin Jennifer Jones auf eine Anzeige meldet, die unstete Serie wechselnder männlicher Frontsänger beendet und mit ihrer kraftvollen Stimme und ihrem Charisma der Band ein markantes Profil verleiht.

 

Mit Jennifer und dem neuen Bassisten Bastian Heckl gesellen sich zum klassischen, »altbackenen« Rocksound zwar auch Einflüsse aus Pop, Jazz, Bossa Nova und Jazz hinzu — das Soundbild, das auf dem ab sofort erhältlichen, selbstbeti­telten Debütalbum festgehalten wurde, gestaltet sich allerdings traditionalistisch bis der Arzt kommt: live eingespielt, ohne Overdubs, reduziert und gerade deshalb ungeheuer druckvoll. Bolzende Drums, breitbeinige Tritt-Arsch-Riffs, jaulende Gitarrensoli — kein Rockklischee wird einer Konzession an eine vermeintlich coolere Gegenwart geopfert.

 

Am Ende des Tages ist das der große Pluspunkt von Dirty Horse. Hier sind Music-Lover am Werk, die sich einen Dreck scheren um den Zeitgeist und genau deshalb eine ungeheure Souveränität ausstrahlen. Man kann die Band ablehnen, weil sie die die Evolution der Rockgeschichte nicht nach vorne bringt, man kann harten Bluesrock grundsätzlich doof finden. Was man nicht machen kann: Dieser Band ihre Qualität absprechen. Und wie so oft: Wenn etwas richtig gut und mit Liebe produziert ist, wird man am Ende mitgerissen. Man muss es ja nicht gleich auf Facebook posten.