Unter den Pferde­äpfeln liegt die Poesie

Dank der Initiative Neuer Zirkus hält eine völlig neue Art künstlerisch-artistischer Unterhaltung Einzug in Köln

Eine junge Frau springt an ihr ­Trapez. Kindlich kreischend fliegt sie durch den Raum. Es wirkt befreiend, ihr minutenlang dabei zuzusehen. Keine Spur von den waghalsigen Verrenkungen in luf­tiger Höhe, die man sonst so von Artisten gewohnt ist.

 

Im Zelt des Zirkus- und Artistikzentrum Köln (ZAK) stehen 13 Künstler auf der Bühne. Fernab von Showeffekten sind die Artisten, Tänzer, Schauspieler und Musiker ganz bei sich, ganz intim. Eine Pantomimin verhakt sich bis zur Bewegungsunfähigkeit in einem Gummitwist. Eine Künstlerin verharrt eine gefühlte Ewigkeit kopfüber im Handstand bis ihr die Arme vor Erschöpfung zittern. Alle Performances künden vom Ende der Nummernrevue und feiern den Zirkus als Gesamtkunstwerk. Es ist der letzte Tag des »Labor Cirque Research-Project«, einer mehrwöchigen Forschungsreise suchend nach dem Wesen des Neuen Zirkus.

 

Namenhafte Dozenten wie Tim Plegge, Choreograf am Staatsballett Berlin, nahmen an dem deutschlandweiten Pilot-Projekt der Kölner »Initiative Neuer Zirkus« teil. Alle vier Kunstsparten Tanz, Artistik, Stimme und Musik sollen unter einem poetischen Bogen gleichberechtigt miteinander agieren, das ist die Grundidee. »Nicht die Tricks zählen, sondern die künstlerische Aussage, die damit gemacht wird«, wie Nancy Fürst, Dozentin an der Schweizer Scuola Teatro Dimitri und eine der international geladenen Gäste, erklärt. Mit dem verstaubten Trivial-Image des Zirkus will man aufräumen. »Seriöse Kunst darf allerdings auch unterhalten,« findet Bauke Lievens, Zirkusdramaturgin aus Gent.

 

Die Kölner Initiatoren des Research-Projekts Uwe Schäfer-Remmele und Jenny Patschovsky haben nun in der Region einen Anfang markiert. Im Herbst haben sie für den zeitgenössischen Zirkus relevante Gruppen und Künstler nach Köln, Leverkusen, Krefeld und Bonn eingeladen. Neben Matte & Carmen mit »Lichtes­dunkel« kommt die Gesellschaft für zeitgenießenden Tanz mit ihrer Musik-Performance »Morgens bin ich so solide, aber abends werd ich schwach«. Ebenfalls aus Berlin wird das Duo Stefan Sing & Cris­tiana Casadio mit ihrem artistischen Tanz »Tantrum« anreisen. Der Bonner Jongleur und Clown Matthias Romir zeigt in »Das Leben ist?...« eine Bühnenpoesie aus dem Alltag. Für »Feedback Schleifen« untersucht die Kölner Gruppe Atemzug die Wechselwirkung von Publikum und Künstler. Pferdeäpfel in der Sägespan-Manege war gestern. Zirkuspoesie ist heute.

 

Termine der Gastspieltournee des Labor Cirque auf zak-koeln.com