Foto: Manfred Wegener

Vertane Gelegenheit

Die Sonderschau im El-De-Haus über »Schwarze im NS-Staat« erntet harsche Kritik. Ein Kommentar von Nicola Lauré al-Samarai.

Ausstellungen, die sich der nationalsozialistischen Verfolgung bestimmter Gruppen annehmen, bedürfen aus verständlichen Gründen eines besonderen Feingefühls. Dies gilt vor allem für jene Opfer des Holocaust, deren Gemeinschaftsgeschichten nicht zum allgemeinen Erinnerungskanon gehören. Vor diesem Hintergrund ist die umstrittene Sonderschau im EL-DE-Haus »Besondere Kennzeichen: Neger – Schwarze im NS-Staat«, die sich erstmalig mit Menschen afrikanischer Herkunft während der Naziherrschaft beschäftigt, ein in mehrfacher Hinsicht gescheitertes Projekt.

Dieser Umstand ist weniger auf das missglückte Design zurückzuführen als auf das gänzliche Fehlen einer kritischen historischen Konzeption. Als BesucherIn sucht man vergeblich nach einer angemessenen Einführung in die Thematik. Stattdessen wird man mit einem wahllosen Übermaß an völkischem und nationalsozialistischem Propagandamaterial konfrontiert und muss sich fragen, was die zum Teil unverständlichen zeitlichen und thematischen Akzentsetzungen der Schautafeln zu bedeuten haben oder wieso die ohnehin spärlichen Kommentare auch noch faktischer Sachkundigkeit entbehren.

Ein Anliegen der Ausstellung – so die Organisatoren – ist das Freilegen von Kontinuitätslinien, »die oft erschreckend ungebrochen in die Gegenwart führen«. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hätte vor allem die deutsche Kolonialzeit (1884-1918) ausführlich einbezogen und eine sorgfältige Arbeit im Hinblick auf zeit- und ideengeschichtliche Zusammenhänge geleistet werden müssen. Da die koloniale Ära jedoch auf eine historische Fußnote reduziert ist, bleiben nicht nur die Anfänge afrodeutscher Geschichte im Dunkeln. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die bereits zu diesem Zeitpunkt einsetzende Verknüpfung kolonialistischer und eugenischer Konzepte, die die wichtigste rassenpolitische Grundlage für die Entrechtungen, Zwangssterilisationen und Ermordungen afro- und asiatisch-deutscher Menschen in der NS-Zeit bildete.

Die jahrzehntelange, kontinuierliche Verbindung von Anthropologie und Gesetzgebung ist keine abstrakte Formel, sondern prägte die Lebensgeschichten afrikanisch-deutscher Familien sehr maßgeblich. Zu nennen sind hier z.B. die Diskussionen über das Verbot kolonialer »Mischehen« um die Jahrhundertwende, die Auseinandersetzung um die Neufassung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes 1912/13, die durch Regierungsstellen ab 1923 begonnene Erfassung afrodeutscher, vor allem im Rheinland geborener Kinder, das 1933 in Kraft tretende »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses«, die ab 1937 vorgenommenen illegalen Sterilisierungen an Afrodeutschen oder der völlige Ausschluss aus öffentlichen Schulen ab 1939.

Die Einbeziehung individueller Lebensentwürfe, die Sichtbarmachung von Überlebensstrategien oder die Suche nach kulturellen Leistungen ist daher mehr als nur eine Frage des Respekts. Es geht um die Anerkennung von Einzigartigkeit und Identität und damit um die Schaffung eines selbstbestimmten historischen Gesichts. Wenn die Tätermaterialien jedoch, wie dies in der Ausstellung durchgängig geschieht, den Biografien und Perspektiven der Betroffenen nicht gegenübergestellt werden und die diskriminierende Fremdwahrnehmung überwiegt, ist es unmöglich, nationalsozialistische Zerrbilder gegenzulesen.
Dies wird zusätzlich unterstützt durch einen unannehmbaren Sprachgebrauch in den Begleittexten. Die überall verwendete rassenkundliche bzw. faschistische Terminologie in Anführungszeichen ist mitnichten der Versuch, eine historische Distanz zu schaffen und wäre für die Darstellung anderer Opfergruppen undenkbar. Selbst die Interviews mit den ZeitzeugInnen lösen dieses Dilemma nicht: Die erschreckend unsensible Befragung durch einen mit dem Thema nicht vertrauten Journalisten erlaubt ihnen an keiner Stelle, ihre Geschichte zu erzählen.

Die Organisatoren wären gut beraten gewesen, konzeptionelle und inhaltliche Überlegungen bereits initiierter und didaktisch wegweisender Ausstellungen zum Thema einzubeziehen und sich an die entsprechenden Standards zu halten. Vor allem aber hätten sie sich im Vorfeld selbstkritisch mit historischen Befangenheiten beschäftigen sollen. Die Tatsache, dass zwei der überlebenden Zeitzeugen ihre Beiträge wegen des diskriminierenden Charakters der Ausstellung zurückziehen werden, ist Grund genug, damit schnellstmöglich zu beginnen.

Die Autorin:
Nicola Lauré al-Samarai ist Geschichts- und Kulturwissenschaftlerin und promoviert am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin über Schwarze Deutsche in der ehemaligen DDR.

Literatur:
Ayim, M./Oguntoye K./Schultz, D.: Farbe bekennen. Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte. Berlin, 1986.
Oguntoye, K.: Eine afrodeutsche Geschichte. Zur Lebenssituation von Afrikanern und Afrodeutschen in Deutschland von 1884-1950. Berlin, 1997.
El-Tayeb, F.: Schwarze Deutsche. Der Diskurs um »Rasse« und nationale Identität 1890-1933. Frankfurt/M., 2001.