»Der Planet versteht dich«

Der Kölner Produzent The Green Man vertraut ungebrochen der Kraft von Drum’n‘Bass

Diese Tage ist das neue Album von The Green Man alias Heiner Kruse erschienen. »Sound Power« bietet die volle Breitseite: dreißig Tracks auf zwei CDs. Ein eindrucks-voller Name, eine erschlagende Menge Musik. Bei Nudeln und Milchkaffee erzählt Kruse aber ganz entspannt, warum das Album so ist, wie es ist. Und warum Mu-siker so sind, wie sie sind.

 

Wenn man sich mit deinem -Schaffen beschäftigt, findet man schnell heraus, dass du sehr breit aufgestellt bist?… Ja, ich mache meine eigene Musik, vertone ab und zu Filme, bin Dozent, schreibe über Workshops für verschiedene Magazine, habe auch ein Buch über Musikproduktionen mit der Software Reason geschrieben, ich lege auf, veranstalte Partys, be-trei-be das Label Basswerk — ein Patchwork. Reich macht mich das nicht, aber zufrieden. 

 

Haben dich eher künstlerische Impulse oder die Leidenschaft für Technik zu diesem Portfolio ge-bracht? Das kann ich nicht trennen, es entscheidet immer das Bauchgefühl. Zum einen der Spaß an der Technik, zum anderen gab es aber auch Künstler, die vorgemacht haben, wie man sich instrumental ausdrücken kann. Als Teenager habe ich Art of Noise oder Yello gehört — wow, deren Stücke haben mich so beeindruckt, dass mir klar wurde, dass ich mei-ne Gefühle auf ähnliche Weise ausdrücken möchte. Ich wusste nur noch nicht, wie. Um den elek-tronischen Sound gut hinzubekommen, musst du auch den Nerv für die Technik aufbringen. Das braucht unheimlich viel Zeit und Sitzfleisch. Und man muss herausfinden, wo man selbst im Vergleich zu all den anderen steht. Ich gehe meinen Weg aber auch deshalb, weil ich es so entschieden habe. Ich habe eigentlich was anderes studiert und wollte mal in die -Werbung, aber da wird man nur zu einem Soldaten für irgendwas. Braucht es erst einen Schicksalsschlag, um sein Leben endlich so zu leben, wie man es eigentlich will? Das finde ich nicht, darum hab ich schon früher damit an-gefangen.

 

Bist du rastlos? In Phasen. Manchmal brauch ich mehrere Baustellen, um in Tritt zu kommen. Dann bin ich richtig in Fahrt — dann läuft alles. Aber ich kann auch ganz -entspannt sein und mit dem Arsch nicht hoch kommen. Doch eines kann ich mir nicht vorstellen: dass ich mich jemals langweile! Ich kann nicht verstehen, wenn Leute mit ihrer Zeit nichts anfangen -können. Man muss sich doch mit dem beschäftigen, was man be-einflussen und bewegen kann. Früher dachte ich, ich sei ja so anders. Dann habe ich mit den -Jahren mehr und mehr Musiker kennengelernt und festgestellt: so anders bin ich gar nicht — es gibt jede Menge Leute wie mich! Und die sind so, wie sie sind, weil sie so sind, wie sie sind.

 

Was macht deine Liebe zum -Drum’n’Bass aus, dass du dich hauptsächlich dieser Musik widmest? Drum’n’Bass lässt mir einen un-heimlich großen Spielraum: Ich kann Halftime interpretieren, ich kann Jazz und Klassik einbringen, ich kann entspannten Dub machen oder es nach Minimal klingen lassen. Letztendlich mache ich ja nicht nur Drum’n’Bass. Ich mag satten Bass, deepe Vibes, und das Spiel mit Tempi. Drum’n’Bass geht auf der einen Seite unheimlich gut ab, auf der anderen Seite ist Raum für ganz ruhige Sachen. Als Produzent tendiere ich häufiger zu ruhigeren Sachen, man muss sich den Kram ja auch die ganze Zeit anhören. Als DJ spiele ich gerne mal richtig harte Stücke, um Kontraste zu setzten.

 

Dein neues Album bietet dreißig Tracks auf. Warum so viele? Ich habe es als unheimlich schwer empfunden, das Album überhaupt fertig zu machen. Ich wollte ein Album, das man gut durch-hören kann. Mit Ups and Downs, nicht nur Drum’n’Bass, sondern auch anderes. Aber: dieses andere muss man irgendwie unterbringen. Die Auswahl für diese mu-sikalischen Wechsel war ein schwieriger Prozess. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass man die CDs gut durchhören kann, mit einer Steigerung wie bei einem DJ-Set. Klar ist es schwer, ein so umfangreiches Album zu kommunizieren. Aber man soll es viele Jahre hö-ren können, ich will die Zeitlosigkeit und Vielfalt von Drum’n’Bass -zeigen.

 

Wie lange sind die Stücke denn schon fertig? Ein Track ist schon zehn Jahre alt. Die meisten anderen sind in den letzten drei Jahren entstanden. Fertig geworden sind sie fast alle erst in den letzten sechs Monaten. Im Laufe der letzten Jahre hab ich ein Setup ent-wickelt, bei dem ich das Gefühl hab, den Sound im Griff zu haben. Darum habe ich einige Stücke erst jetzt so überarbeitet bekommen, dass ich wirklich mit ihnen zufrieden war. Hinzukommt, dass es mir lange an einem Aufhänger für das Album fehlte. Mit »Word Sound Power« und Peter Bouncer am -Mikrophon hatte ich endlich den Song, um den herum ich mein Album bauen konnte. An Bouncer fasziniert mich, wie sein Gesang Kraft spendet: Wenn ich den höre, fühle ich mich stark! Als ich ihm das gesagt habe, meinte er zu mir: »In Jamaica nennen wir das Word Sound Power.« Da war klar, so -nennen wir den Track. Das Album habe ich dann am Ende »Sound Power« genannt, weil gerade ins-trumentale Musik das kann: Kraft geben. Es gibt Musik, die gibt dir das Gefühl, der Planet versteht dich.

 

 

Tonträger: The Green Man, »Sound Power« (Groove Attack/Rough Trade), bereits erschienen