Die besseren Lockvögel

Das Theater der Keller startet unter neuer Leitung in die kommende Spielzeit

Das Theater der Keller ist tot, es lebe das Theater der Keller. Die Insolvenz wurde abgewandt und ein neuer Intendant tritt an. Ab dem 1. September übernimmt der freie Kölner Regisseur Heinz Simon Keller den Betrieb. Zwar bekam das in massive Geldnot geratene Theater jüngst finanzielle Unterstützung aus dem Feuerwehrtopf der Stadt Köln. Dennoch muss der gebürtige Schweizer gegen sinkende Zuschauerzahlen ankämpfen — mit »hundert Prozent Gegenwart«, so die Ansage für die kommende Spielzeit. Eröffnet wird vom Hausherrn selbst mit einer Groteske über Talkshows von der Dramatikerin Theresia Walser.

 

Herr Keller, was hat Sie gereizt, die Intendanz eines in Turbulenzen geratenen Hauses wie das Theater der Keller zu übernehmen?


In Köln habe ich das freie Theater Blackbox geleitet, dazu gehörte jedes Jahr die Suche nach dem Geld. Auch die finanzielle La-ge des Theater der Keller ist schwierig. Mich hat aber weniger die Insolvenz geschreckt, als die ästhetischen Einengungen durch die kleine Guckkastenbühne. Ge-reizt hat mich dagegen die Chance, ein Team aufzubauen und dieses Haus in der Stadt zu verankern.

 

Seitdem die Stadt auf Empfehlung des Theaterbeirats, dem auch ich angehöre, das Haus 2011 aus der Konzeptionsförderung genommen hat, steckt es in einer finanziellen Schieflage. Wo steht das Theater der Keller heute?


Das Theater ist zwar nicht verschuldet, aber der Wegfall der Konzeptionsförderung von rund 180.000 Euro hat tiefe Löcher gerissen. Im Moment gleichen wir das mit Hilfe privater Sponsoren und des Feuerwehrtopfes notdürftig aus. Aber wir müssen sparen, ganz klar. Wir denken darüber nach, eine Technikerstelle zu streichen. Zwar haben wir eine Dramaturgenstelle wieder neu eingerichtet, dafür aber die Schneiderei abgeschafft. Im Moment sind es sechs feste Stellen. Mit weniger Personal kann man so ein Haus mit sieben Produktionen nicht führen. Entscheidend sind aber die Auslastungszahlen. Die müssen sich erheblich steigern. Wenn wir das Publikum nicht erreichen, dann wird es schwer. 

 

Wie wollen Sie das erreichen?

Unser Programm ruht auf drei Säulen. Zum einen liegt uns an einer engagierten Haltung zur Gesellschaft — vermittelt durch eine Geschichte, die mich berührt wie in Anne Habermehls Dreigenerationendrama »Luft aus Stein«, das wir im Spielplan haben. Zum anderen geht es um eine reduzierte Ästhetik, welche die Dringlichkeit der Themen ins Zentrum stellt. Die kleinen Bühnenräume bedeuten dabei natürlich eine Einengung, die man positiv wenden muss: Man stellt, das ist die dritte Säule, den Schauspieler in den Mittelpunkt. 

 

In Ihrem Spielplan sucht man vergeblich den Lockvogel »Klassiker«…


Natürlich haben wir anlässlich seines 200. Geburtstages über Georg Büchner nachgedacht, aber ich will diese Spielereien um Abiturstoffe nicht mitmachen. Wir ver-zichten auch auf Stücke von Woody Allen oder Yasmina Reza. Nichtsdestotrotz bietet unser Spielplan zeitgenössische Stoffe, die ein neugieriges, bürgerliches Publikum an-sprechen sollen. Ich habe den na-iven Glauben, dass man mit Qua-lität und einem relevanten Thema ein Publikum aus alt und jung err-eichen kann. Das ist die Hoffnung. 

 

Wie wollen Sie das Haus stärker mit der Stadt vernetzen?

Es muss sich mehr über Geschichten der Stadt definieren. Wir planen mit dem Schrift--steller Navid Kermani eine Bearbei-tung seiner Kölner Erzählungen »Vierzig Le-ben«. Mit Do?an Akhanl? sind wir über ein neues Stück im Gespräch. Wir werden auch eine Reihe mit Kölner Auto-ren wie Mona Yahia, Peter Ro-sen-thal oder Anne Dorn und dem »Klub Junge Literatur« machen. Der neue Leiter der »Schule des Theaters«, Thomas Ulrich, wird einen musikalischen Abend bei uns uraufführen: »Liebesschlösser«. Dazu unternimmt er einen Ausflug auf die Hohenzollernbrücke.

 

Ein Problem ihrer Vorgängerin PiaMaria Gehle war, dass sie nur wenig Einfluss auf den Vorstand hatte. Es kam zu Reibungen. Wie ist Ihre Situation?


Ich bin sowohl künstlerischer als auch geschäftsführender Intendant und deshalb auch verantwortlich für die Zahlen. Künstlerisch fühle ich mich vollkommen frei. Mein Vertrag läuft über drei Jahre. Allerdings habe ich darum gebeten, dass auch der Vorstand des Theaters aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. 

 

Die »Schule des Theaters« wurde in das Haus an der Kleingedankstraße integriert, um Geld zu -sparen. Sie hat stark an Zulauf verloren, zuletzt waren es nur noch dreißig Schüler. Wie geht es dort weiter?


Mit Thomas Ulrich wird es einen Neuanfang geben. Schule und Theater werden, auch finanziell, wieder klar getrennt. Neue Räume haben wir in einer ehemaligen Fabrik in Niehl gefunden, die ein konzentriertes Arbeiten ermöglichen. Dazu gibt es eine Verbindung mit dem Theater Wuppertal. Die Koproduktion »Das Leben der Ameisen«  von Maurice Maeterlinck wird im Oktober ein Gastspiel am Schauspiel Köln im Depot haben. Außerdem können die Schüler in hauseigenen Inszenierungen auftreten, was wir bei dem jetzigen starken Abschlussjahrgang nutzen: Drei junge Schauspieler sind in meiner Eröffnungspremiere »Eine Stille für Frau -Schirakesch« von Theresia Walser dabei, ein vierter spielt in Dennis Kellys »Waisen« mit. Und das ist keine Sparmaßnahme, sondern eine Frage der Qualität.