Ein freier Mann

Modernisiertes Märchen: Hans Dampf von Christian Mrasek und Jukka Schmidt

Zum reichhaltigen Soundtrack von »Hans Dampf« gehört auch die famos abgehangene Nummer »Drogen nehmen und rumfahren« von Die Zukunft. Darin besingen Knarf Rellöm und Bernadette La Hengst, dass es kaum mehr braucht zum Leben als genau diese beiden Dinge. »Wir haben kein Problem, von dem wir erzählen wollen«, heißt es da, »wir haben eigentlich gar keins«. So geht’s auch Hans Dampf — sowohl der Figur, gespielt von Fabian Backhaus, als auch dem Film der beiden Kölner Jukka Schmidt und Christian Mrasek. Sie lassen ganz entspannt vieles weg von dem, was man sonst so auf die Leinwand bringen zu müssen glaubt: den ganzen dramaturgischen Ballast, unter Strapazen ausgefeilte Dialoge, penible Schauspielerführung. Ja, sogar die Akteure müssen nicht zwingend unter Zadek gelernt und neben Brandauer reüssiert haben. Sie dürfen ihre Figuren durch den Film treiben lassen, eine jede so weit, wie sie kommt. Am weitesten kommt der Titelheld, alle anderen sind Wegbegleiter auf Zeit.

 

Am Anfang — der in Köln spielt —bricht Hans mit seinem bisherigen Leben. Er mag nicht länger Scheiße für Gold verkaufen, löst seinen Schlipsknoten und verschenkt das Smartphone. Nun ist er ein freier Mann. Mit einem märchenroten Jutebeutel, prall gefüllt mit seiner Abfindung, erblickt er auf einem Foto in einer Pizzeria sein neues Ziel: die italienische Amalfiküste.

 

Hans bricht auf und lernt Rose (Cécile Marmier) und ihren alten VW-Bus kennen. Mit dem rollt Hans immer weiter gen Süden, Rose indes bleibt nach einer Nacht bei Freunden verliebt im heißen Wasserzuber zurück. An ihre Stelle tritt der durchtriebene Django (Mario Mentrup), der vor allem nach Hans’ Geldbeutel trachtet. Später erscheint noch eine schöne Fee (Nina Schwabe).

 

Hans hat inzwischen eine rote Bommelmütze auf, wie wir sie aus dem Grimmschen Märchenkosmos kennen. In Grimms »Hans im Glück« tauscht der Held Gold gegen ein Pferd, dieses gegen eine Kuh. Er tauscht sich immer weiter runter, bis er am Ende einen Stein in Händen hält und ausruft: »So glücklich wie ich, gibt es keinen Menschen unter der Sonne!«

 

Sowohl der Hans Dampf im Film, der den Bus gegen ein dreirädriges Rollermobil und dieses Vespacar gegen ein Schlauchboot tauscht, als auch der Film »Hans Dampf« selbst folgen konsequent dieser Glücksökonomie. Die Macher freuen sich im Vorspann ganz besonders über das Glück, ihr gemeinsames Debüt weitgehend unabhängig finanziert zu haben.

 

Der Deal, filmische Standards einzutauschen gegen die Freiheit, sich, die Darsteller und ihre Geschichte einfach laufen zu lassen, mag Stringenz-Verfechter verstören. Dann sollte man den Film vielleicht noch drei- oder viermal sehen — und jedes Mal ein wenig den eigenen Zustand ändern.