Schwankende Theoriegebäude

Kubrick für Verschwörungstheoretiker: Room 237 von Rodney Ascher

Stanley Kubrick hat faszinierende Vexierspiele geschaffen: Bedienen sich seine Filme zu--nächst scheinbar populärer Genres, beginnen sie schon bald  eigenartig zu schillern. Große und kleine Rätsel tun sich auf — von philosophischen und kulturhistorischen Verweisen ganz zu schweigen. Ähnlich wie etwa bei -Thomas Pynchon schart sich daher auch um Stanley Kubrick eine eingeschworene Gemeinde, um gemeinsam den Code seiner Filme zu entschlüsseln. Die Prämisse dabei: Kubricks Filme handeln von weit mehr als von dem, was ihre Plots zeigen. Vielmehr verberge sich im Werk des Regie-Eremiten ein komplexer Kommentar zur Conditio humana.

 

Ähnlich wie sein rätselhafter Science-Fiction »2001« bietet Kubricks Horrorfilm »The Shining« ein Festmahl für Kryptologen — das unterstreicht nun eindrucksvoll der Film-Essay »Room 237«. Regisseur Rodney Ascher hat sich dafür mit besonders esoterischen Kubrickianern unterhalten, die auch dort noch Botschaften zu erkennen glauben, wo sich der gesunde Menschenverstand nicht lange aufhält: Ist das Bild eines Indianers auf einer Suppendose schon ein Hinweis darauf, dass es in »The Shining« eigentlich um den Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern geht? Und wann ist ein Anschlussfehler in Wirklichkeit als Flüsterpost des berüchtigten Perfektionisten Kubrick zu verstehen? Bilden eine deutsche Schreibmaschine und die (nach einigen numerologischen Kapriolen) allgegenwärtige Zahl 42 einen Verweis auf die Shoah? Ist »The Shining« gar das verklausulierte Geständnis eines Regisseurs, die TV-Übertragung der Mondlandung inszeniert zu haben, wie eine besonders hanebüchene Verschwörungstheorie besagt? Es wird viel gesponnen, mal klüger, mal dümmer. Vieles fußt auf beeindruckenden Beobachtungen, doch schwanken viele der Theoriegebäude enorm. 

 

Aschers Regie besteht dabei vor allem in einer in ihrem Einfallsreichtum faszinierenden Collage historischen Filmmaterials (keineswegs begrenzt auf Kubrick-Szenen), die unentwegt Evidenz produzieren soll. Das macht zuweilen Spaß, so wie ein guter Paranoia-Thriller, der verspricht, einen Blick hinter die Schleier der Welt zu werfen. Es zeigt vor allem aber auch, welche Komplexität filmische Zeichen besitzen können. Nur die teils ins Kraut schießenden Folgerungen sollte man um Kubricks Willen nicht immer ernstnehmen.