Guter Schlager

Der Autor und Journalist Eric Pfeil feiert sein spätes Coming-out als Musiker

 

Den Popzirkus kennt Eric Pfeil aus dem EffEff. Ende der 90er Jahre produzierte er mit seiner damaligen Freundin Charlotte Roche die ambitionierte Musiksendung »Fast Forward« auf VIVA, später fing er an, Artikel für die FAZ zu schreiben, veröffentliche seine Pop-Tage­bücher bei Kiepenheuer & Witsch und startete einen Internet-Blog. Im Alter von 43 Jahren wechselt Pfeil nun die Fronten und stellt sich als Liedermacher selbst ins Rampenlicht. Das ist ungewöhnlich, spricht man bei Musikern doch schon ab Ende zwanzig von späten Debüts. Eric Pfeil zeigt sich jedoch clever, er  bemüht sich erst gar nicht, auf vermeintlich jugendkulturelle Züge aufzuspringen. »Es gibt nichts Langweiligeres als Indiepop«, grenzt er sich ab und liefert die Definition des Genres gleich hinterher: »Alles, was auf dem Melt-Festival spielt.«

 

Als alter Pop-Stratege zieht er die Schublade, in die er stattdessen gesteckt werden möchte, selbst auf: Musica Leggera, die italienische Auslegung von Pop und Schlager. Pfeils großes Vorbild ist der in den 70er Jahren sehr erfolgreiche Luccio Battisti, zudem bezeichnet er sich selbst als größte Adriano-Cellentano-Koryphäe. »Der italienische Schlager erlaubt es, leicht und trotzdem seltsam zu sein, deutscher Musik gelingt das eher selten«, findet Pfeil. Schuld am Italien-Fimmel seien die Italien-Urlaube mit den Eltern Ende der 70er gewesen.
Heraushören kann man die italienischen Vorbilder in Pfeils eigenen Songs aber nur indirekt. Während bei Battisti und Cellentano die große Geste und der exaltierte Gesang im Vordergrund stehen, gibt sich der Kölner musikalisch gesehen doch sehr bodenständig. Seine Stimme wirkt freundlich-unaufgeregt, die Arrangements können im besten Sinne als abgehangen bezeichnet werden: Klar strukturierte Songs mit Ohrwurmmelodien werden auf traditionalistische Weise mit Akustik- und E-Gitarren, Bass, Schlagzeug und Tasteninstrumenten inszeniert — staubtrocken und lässig auf den Punkt gespielt. Goldenes Handwerk mit der Aura des Zeitlos-Wertkonservativen.

 

Erst in Kombination mit den Texten wird die Angelegenheit zu etwas Besonderem: Eigentlich ist Pfeil ein Storyteller. Seine Geschichten kommen aber selten auf den Punkt; sie wirken verrätselt, am Ende bieten sich vielerlei Deutungsmöglichkeiten an. Trotz des persönlichen Touchs wird man so als Hörer nie in Pfeils privates Jammertal gerissen. Das wirkt befreiend und kommt vollkommen unverkopft rüber. Am Ende hat Eric Pfeil mit seinem leicht­füßigen Debüt etwas Tolles ge­-schaffen: guten Schlager!

 

Tonträger: »Ich habe mir noch nie viel aus dem Tag gemacht« (Trikont/Indigo)