Foto: Manfred Wegener

Unkulturhauptstadt

Das Haushaltsloch, der Kulturetat und

wildgewordene Kürzungsverordner

In einer Sache, da ist Oberbürgermeister Schramma wirklich gut: Er sagt zuweilen kluge Sätze, ohne es zu merken. »Kommunalpolitik denkt oft kurzfristig und von einer Entscheidung zur nächsten. Aber ich denke: Die langfristigen Ziele müssen wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. Die Kunst ist dabei, herauszufinden, welches der richtige Weg ist.« Klingt fast wie Asiatische Weisheit. Aber wir denken: Die Kunst dabei ist, das auch ernst zu nehmen. Des Oberbürgermeisters weise Erkenntnisse datieren vom 12.12.2002 und stehen im Internet – während in Köln die Suche nach dem politisch und kulturpolitisch richtigen Weg derzeit als orientierungslose Achterbahnfahrt praktiziert wird.

Schrammas Amoklauf

Was der OB dieser Stadt sich in den letzten Wochen geleistet hat, gleicht einem Amoklauf – und dem Versuch, sich nicht nur als städtisches Oberhaupt, sondern als Spitze einer konzeptionslosen Kulturpolitik in die Stadtgeschichte einzuschreiben: Die Einsparforderungen an das Kulturdezernat sind nach Meinung aller Sachkundigen Kahlschlagpolitik, Schrammas öffentliche Vorwürfe an die Kuturdezernentin Hüllenkremer ein Affront ohne Beispiel, sein Umgang mit der desaströsen Haushaltslage fahrlässig: Als sei es ein zynisches Spiel, wurden zum Teil. absurde Kürzungs-, Streichungs- und Schließungsvorhaben einfach mal öffentlich formuliert; ausgetestet, wo sich der stärkste Widerstand regt, widerrufen, widerwiderrufen, dramatisiert, beschönigt, beschwichtigt.

Giftliste und mehr

Nach einer angeblichen »Giftliste« der Kulturdezernentin könnten ganze Museen geschlossen werden, die Halle Kalk steht ganz oben auf der Abschussliste, beim Multimuseum am Neumarkt herrscht Baustopp; der Kölnische Kunstverein und die Freie Szene sollen nun doch verschont bleiben, hieß es zuletzt, aber das Vertrauen in solche Aussagen ist erschüttert. Dass hinter den chaotischen Vorgängen nicht nur Naivität steckt, macht es schlimmer: Da seht ihr, was ihr angerichtet habt, demonstriert man dem politischen Gegner, der den GAG Grubo-Verkauf verhindert hat. Kurz: Selten wurden Inkompetenz, Scheinheiligkeit und das Fehlen – ja – »langfristiger Ziele« in Stadtspitze, Kulturpolitik und Verwaltung so erkennbar wie jetzt.

Zukunftsvisionen des OBs

Auf welchem Niveau sich Schrammas eigene Zukunfts-Vorstellungen für die »Kulturstadt Köln« bewegen, zeigt seine »Vision Köln 2020«, deren Zitat bei einer Podiumsdiskussion zum Thema im Kölnischen Kunstverein spontan für Kabarettstimmung sorgte: Viele schöne neue Museen habe die Stadt dann, ein Circusmuseum und ein Karnevalsmuseum (sic), und »die Museen sind alle eigenständig und unabhängig von kommunalen Töpfen und finanzieren sich durch ein hervorragendes Mäzenatentum.« Das ist konsequent: Liebe Bürger, Stifter und Sponsoren, übernehmt, wir kapitulieren. Aber noch ist die Stadt in der Verantwortung.

Kürzungen kommen Selbstamputation gleich

Im Juni soll der neue Haushalt verabschiedet werden, es wird eine Weichenstellung sein. Man kann zu diesem Zeitpunkt nur dazu aufrufen die Auseinandersetzung wieder auf ein erträgliches Niveau zu heben, und ein paar Grundsätzlichkeiten klären.
Erstens: Es gibt ein (durchaus auch selbstverschuldetes) millionentiefes Haushaltsloch, aber es kann nicht durch Kahlschlag in der Kultur ausgeglichen werden. Man kann nicht mantrahaft ständig die Bedeutung der Kultur für diese Stadt verkünden, an der Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 festhalten, und politische Entscheidungen in genau die entgegengesetzte Richtung treffen. Obwohl Köln mit weniger als vier Prozent am Gesamthaushalt sowieso einen der niedrigsten Kulturetats vergleichbarer Städte hat, soll das Kulturdezernat mit sieben Millionen Euro jährlich mehr einsparen als alle anderen Dezernate. Würden diese Kürzungen beschlossen, gliche das, wie es Regina Wyrwoll von der Stiftung Kunst und Kultur des Landes NRW bei oder Podiumsdiskussion im Kunstverein formulierte, einer Selbstamputation. Diese Forderung muss also vom Tisch – über sinnvolle Einsparungen ließe sich dann reden.

Erst denken, dann handeln

Zweitens: Je knapper das Geld, um so wichtiger ist eine überlegte, nachhaltige Kulturpolitik. Wenn man am Neumarkt trotz heftiger Bürgerproteste Kunsthalle und Kunstverein abreißt, um zwei Monate später zugeben zu müssen, dass das ohnehin fehlgeplante neue Multimuseum doch nicht zu bezahlen ist, ist das ein Beispiel dafür, wie es nicht geht. Erst denken, dann handeln – das wäre eine Minimalforderung an Verwaltung und Politik.
Drittens die inständige Bitte an die Verantwortlichen, bei der derzeitigen Diskussion um den »richtigen Weg« in der Kulturpolitik schleunigst auf lässige Falschdarstellungen, großartige Bekenntnisse, parteipolitisches Gerangel und das Schwarze-Peter-Geschiebe zwischen Politik und Verwaltung zu verzichten – das will man nämlich einfach nicht mehr hören.
Und zuletzt (asiatisch): Das Ziel ist der Weg. Kulturhauptstadt? Der momentane Weg führt zu allem möglichen, aber sicher nicht dahin.