Foto: Manfred Wegener

Was von den Demos übrig blieb

Die Kölner Friedensbewegung ist wieder in kleine Kreise zerfallen.

Doch die Gruppen hoffen auf einen »Nachhalleffekt« der Proteste

Ein wenig verloren steht der Kreis im kalten Frühjahrswind. Rund hundert Menschen haben sich auf der Domplatte versammelt, um unter dem Transparent »Selig sind die Friedfertigen« gegen den Irakkrieg zu protestieren – so wie jeden Montagabend seit Anfang Februar. Der »Schweigekreis der Religionen für den Frieden« gehört zu den vielen verschiedenen Gruppen, die die neue Friedensbewegung in Köln mitgetragen haben und im Januar, Februar und März jeweils über 10.000 Menschen zu großen Antikriegsdemos versammelten.
Doch bereits wenige Wochen nach dem Beginn der Angriffe auf den Irak schien nicht mehr allzu viel übrig zu sein von der großen, neuen Bewegung. Erschöpfung und Enttäuschung machten sich breit. Zwar sind viele der Warnungen wahr geworden, die die Friedensbewegung immer wieder ausgesprochen hatte, doch den Krieg konnte sie nicht verhindern. Recht zu behalten, kann eine Niederlage sein.

Unterschiedliche Protestformen

Auch in Köln sind die Proteste wieder in kleine Kreise zerfallen. Zeitweilig fanden gar mehrere Friedensaktionen gleichzeitig, aber an verschiedenen Orten statt: Während der interreligiöse »Schweigekreis« vom Roncalliplatz zum Amerikahaus zog, protestierte das »Aktionsbündnis gegen Krieg und Rassismus« vor dem Dom. Zu unterschiedlich sind Inhalte und Protestformen der Gruppen, als dass sich eine dauerhafte gemeinsame Basis hätte finden lassen.
»Unglücklich« findet Elvira Högemann vom Kölner Friedensforum diese Situation. Dennoch hofft sie, dass der »Politisierungsanstoß« weiter wirkt, den die Anti-Kriegs-Aktionen gegeben haben – gerade bei den Menschen, die zuvor nicht politisch aktiv waren: »Die Leute, die auf die Straße gegangen sind, haben sich etwas dabei gedacht – das war ja nicht die Love Parade, wo man einfach nur Spaß hat.«

Freiräume für eine politische Jugendbewegung

Zum »Traditionstermin Ostermarsch« hat das Friedensforum noch einmal mobilisiert, in Zukunft soll aber wieder die gründliche inhaltliche Auseinandersetzung mit der deutschen und internationalen Kriegs- und Friedenspolitik im Mittelpunkt stehen.
Das Bündnis »Jugend gegen den Krieg« ist da schon einen Schritt weiter: Während die Veteranen der Friedensbewegung noch über neue Formen des Protests nachgrübelten, hatte die Gruppe bereits ihre erste Konferenz hinter sich. SchülerInnen und StudentInnen aus ganz Nordrhein-Westfalen trafen sich schon Anfang April in Köln, um den Fortgang des Protests zu planen. »Wir wollen zur Politisierung beitragen«, sagt Nima Sorouri, Geschichts- und Germanistikstudent an der Kölner Uni. »Im Bundestag herrscht mehr oder weniger ein Einheitsbrei, dadurch entstehen Freiräume für eine politische Jugendbewegung.« Er sei selbst erstaunt gewesen, sagt Nima, wie groß unter den Kölner Schülerinnen und Schülern der Wunsch sei, sich grundsätzlich mit politischen Themen wie Rüstungspolitik und Sozialabbau zu beschäftigen: »Bei vielen herrscht große Wut – und durch die Demos haben sie gemerkt, dass sie damit nicht alleine sind.«

Politische Mobilisierung

»Nachhalleffekte« nennt der Berliner Protestforscher Dieter Rucht die anhaltende Politisierung durch die Anti-Kriegs-Demos. Die Zahl der protestwilligen Schüler sei in den Wochen vor Beginn des Irak-Kriegs höher gewesen als jemals zuvor; ein Drittel aller 14- bis 19-Jährigen haben in einer repäsentativen Befragung angegeben, sich an Demonstrationen und Protesten zu beteiligen. Diese Massenbewegung sei zwar kein Dauerzustand, nur eine Minderheit der SchülerInnen werde sich über den Krieg hinaus engagieren, glaubt der Soziologe. Dennoch bilde die neue Friedensbewegung ein »erhebliches Potenzial für eine politische Mobilisierung in thematischen Protestfeldern, nicht zuletzt der Globalisierungskritik«.

Dauerhafte »Friedens-APO«

Auf der Kölner Konferenz von »Jugend gegen Krieg« wurde bereits die Idee diskutiert, das Bündnis zu einer ständigen Organisation auszubauen, um diesen Schub zu nutzen. Das »Aktionsbündnis gegen Krieg und Rassismus«, gegründet nach dem 11.9.2001, wird sich ebenfalls weiter mit »der drohenden Eskalation von Terror und Gegenterror« beschäftigen, sagt Reiner Schmidt, »auch wenn wir in Zukunft wieder weniger wahrgenommen werden«. So seien etwa gemeinsame Aktionen mit der Antifa K denkbar. Und auch das Kölner Friedensforum, sagt Elvira Högemann, denke über »Diskussionsforen mit großer Öffentlichkeit« nach. So könnten vielleicht trotz der momentanen Müdigkeit Teile des Protestpotenzials in eine dauerhafte »Friedens-APO« überführt werden.
So groß die Unterschiede der Kölner Gruppen zwischen Pazifismus, Friedensgebet und Kapitalismuskritik auch sein mögen – sie alle eint die Hoffnung, die der brasillianische Bestseller-Autor Paolo Coelho in einem offenen Brief an George W. Bush formuliert hat: »Danke, denn ohne Sie hätten wir nicht erkannt, dass wir fähig sind, uns zu mobilisieren. Möglicherweise wird es uns diesmal nichts nützen, aber ganz sicher später einmal.«

Kontakte
Schweigeweg der Religionen
für den Frieden

Andrea Schlüter (Kath. Stadtdekanat):
schlueter@katholische-kirche-koeln.de
Dorothee Schaper (Ev. Stadtkirchenverband):
schaper@kirche-koeln.de
Kölner Friedensforum
www.is-koeln.de/friedensforum
koelner-friedensforum@web.de
Kölner Aktionsbündnis
gegen Krieg und Rassismus

antikrieg-koeln@gmx.de
Jugend gegen Krieg Köln
www.jugend-gegen-krieg.de
koeln@jugend-gegen-krieg.de