S.O.S.

Und das nicht erst seit gestern. In der StadtRevue analysiert der Hamburger Politökonom Fritz Fiehler die ökonomischen Prozesse, die der gegenwärtigen Misere zu Grunde liegen. Der Schriftsteller Dieter Wellershoff liefert 13 Aphorismen zur Definition der Kölner Kulturmetropole. Und Marcus Meier und Jendrik Scholz haben das Kölner Haushaltsloch von 540 Mio. Euro betrachtet und nachgesehen, wer und was es verursacht hat.

Sorgenvoll blickte der Kämmerer auf das Jahr 2003 – und in die Runde der Kölner Ratsherren und Ratsdamen. »Wir stehen«, sprach Peter-Michael Soénius, »vor einem der schwierigsten Haushaltsjahre der letzten Jahrzehnte.« Gewiss, das hatte er bereits für das Jahr 2002 prophezeit. Ein Jahr zuvor, am selben Ort, wortwörtlich gar. Aber, so fuhr der Christdemokrat fort, »diese Situation hat sich in keiner Weise verbessert – im Gegenteil, sie hat sich noch dramatisch verschlechtert.« Es war der 28. November 2002. Der Rat hatte sich zur Haushaltsdebatte getroffen. Einziger Lichtblick: Das Kölschtrinken während der Ratssitzung war seinerzeit noch gestattet.

Köln leidet unter Eichels Reformen

Nein, es steht nicht gut um die Kölner Finanzen. Im Haushalt klafft mittlerweile eine Lücke von über 540 Millionen Euro. Ein gewichtiger Grund: Die Gewerbesteuer, wichtigste Einnahmequelle des Kämmerers, sank binnen des letzten halben Jahrzehnts von 711 Millionen (1997) auf 566 Millionen Euro (2002). Schuld daran ist nicht nur die lahmende Konjunktur. Die Stadt Köln leidet überproportional unter den Eichelschen Steuerreformen der letzten Jahre, die vor handwerklichen und konzeptionellen Fehlern nur so strotzen. Von denen profitieren vor allem Großkonzerne: Sie können ihre Bilanzen schönrechnen und führen in der Folge auch weniger Gewerbesteuer an die Städte und Gemeinden ab – wenn sie denn überhaupt noch zahlen.

Weniger Gewerbesteuer

Der Gewerbesteuer-Kuchen wurde indes nicht nur kleiner, auch Land und Bund dürfen nun, dank Hans Eichel, kräftiger zulangen. Für Köln bedeutete dies in den beiden letzten Jahren zusätzliche Belastungen in Höhe von 27 Millionen Euro. Nach einer Studie des Bundes der Steuerzahler zählt Köln zu jenen fünf Großstädten, die alleine 53 Prozent des bundesweiten Gewerbesteuer-Rückgangs zu tragen haben. Und auch der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer sank im letzten Jahr um 9,5 auf 355 Millionen Euro.
Das Land bürdete der Stadt seit 2001 neue Kosten auf: Im Bereich stationäre und ambulante Pflege addieren sie sich bis 2004 auf 55 Millionen Euro auf. Dafür wird Düsseldorf in diesem Jahr die Hand aufhalten. Köln muss 2003 rund 38 Millionen Euro an das Land zurückzahlen – jenen Teil der Schlüsselzuweisungen, die die Stadt 2001 zu viel erhalten hatte, basierend auf einer zu optimistischen Steuerschätzung.

Steigende Kosten

Gleichzeitig stiegen in den letzten Jahren mit der Zahl der Sozialhilfeempfänger die Kosten für die »Hilfe zum Lebensunterhalt«. Zuletzt stagnierten sie auf hohem Niveau. Offenbar zeitigen die Versuche der Stadt, jugendliche Sozialhilfeempfänger in spe in Billigjobs zu drängen, erste Erfolge.
Doch beileibe nicht alle kölschen Probleme sind der schwachen Konjunktur und der großen Politik anzulasten. Man denke nur an die völlig überdimensionierte Verbrennungsanlage des Müll- und zeitweiligen SPD-Entsorgers Trienekens. Oder an – freundlich formuliert – unvorteilhafte Miet-Deals mit dem mächtigen Esch-Oppenheim-Fonds. Oder daran, dass nicht jede Stadt derart üppig den Stadionneubau ihres Profifußballvereins bezuschusst. Auch 2,5 Milliarden Euro Schulden sammeln sich nicht binnen weniger magerer Jahre an. Diese Altlasten drücken schwer: Im letzten Jahr berappte die Stadt rund 200 Millionen Euro für den Schuldendienst – drei Viertel davon für Zinsen, nur ein Viertel für Tilgungsraten.

Strukturelles Defizit im Kölner Haushalt

Seit gut vier Jahren konstatiert der Regierungspräsident ein strukturelles Defizit im Kölner Haushalt, das er – unwidersprochen – auf 100 Millionen Euro beziffert. Was tun? Gehen wir ans Eingemachte, sagte sich Schwarz-Rot. Gehen wir ans Eingemachte, sagte auch Schwarz-Gelb nebst grünem Partner. Und so wurden 1999 36 Millionen Euro städtisches Vermögen verzehrt, in den Jahren darauf 60 respektive 76 Millionen. Im letzten Jahr sollte diese Strategie fortgesetzt werden, allerdings in ganz großem Stil. Der Verkauf der städtischen Wohnungsbauunternehmen GAG und Grubo sollte der Stadtkasse einen warmen Regen von 420 Millionen Euro bescheren. Der Verkauf scheiterte bekanntlich im Stadtrat, die schwarz-gelbe Koalition zerbrach in der Folge.

Kürzungspläne nehmen Kontur an

Nun also soll das schwarz-grüne »Notstandsregime« (Kölner Stadt-Anzeiger) den Karren aus dem Dreck ziehen. Langsam nehmen die Kürzungspläne Kontur an. »Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung« heißt ein rund 60 Seiten umfassender, bisher verwaltungsinterner Katalog, der der StadtRevue vorliegt. Dessen Stoßrichtung ist klar: Leiden sollen vor allem SozialhilfeempfängerInnen, Jugendliche, SchülerInnen, Behinderte, Wohlfahrtsverbände, Arbeitslose, AIDS-Kranke, Bürgerhäuser und Bibliotheken. Aber auch Museen und freie wie städtische Theater sollen zur Konsolidierung der klammen städtischen Finanzen beitragen, und beim Breitensport wird ebenso gespart wie beim Interkulturellen Referat. (Details siehe Kasten). Stand des Kürzungspapiers: Februar 2003. Wöchentlich, so heißt es, werden überarbeitete Versionen davon erstellt. Was hatte die grüne Fraktionschefin Barbara Moritz doch gleich versprochen? »Köln wird ein stärker soziales
Gesicht bekommen.«

Bereits beschlossene Kürzungen

In anderen Bereichen hatte die neue schwarz-grüne Koalition bereits offiziell die Katze aus dem Sack gelassen. So einigten sich Konservative und Alternative auf einen Einstellungsstopp für städtische Bedienstete. Schließlich sollen die Verwaltungskosten bis 2005 um 165 Millionen gesenkt werden. Mittelfristig aufgelöst werden soll das Gesundheits- und Umweltdezernat, d.h. die Arbeitsbereiche werden anderen Dezernaten zugeschlagen. Das dürfte den Grünen nicht geschmeckt haben. Aber immerhin dürfen sie im Gegenzug einen Dezernenten stellen – wenn auch einen notwendigerweise unpopulären: Er oder sie wird für den Sozialbereich zuständig sein. Die Koalitionäre verwarfen Schrammas Vorschlag, sofort eines der bestehenden Dezernate aufzulösen. Man kann halt nicht überall zugleich sparen.

In Krisenzeiten beliebt: Ökologie und Humanität

In Zeiten der Krise genießen Ökologie und Humanität hohes Ansehen. Zumindest, wenn sie zur Haushaltskonsolidierung beitragen. Nicht ausgebaut werden soll der Niehler Gürtel, dasselbe gilt, zumindest bis 2004, für den Godorfer Hafen. Beide Projekte hatten Moritz und FreundInnen aus ökologischen Gründen abgelehnt. Das ebenso inhumane wie überteuerte Flüchtlingsschiff im Deutzer Hafen soll seinen Anker lichten – wenn der Mietvertrag abgelaufen ist. Die Flüchtlinge sollen dann an Land untergebracht werden. Man darf indes gespannt sein, wie Schwarz-Grün mit der Gruppe der »unerlaubt eingereisten Personen«, überwiegend Roma, umgehen wird. Hier wittert die Verwaltung mittelfristig ein Einsparpotenzial von 42 Millionen Euro per annum.

Stadtwerke: höhere Gewinne angepeilt

Die Stadtwerke, zu denen KVB, GEW RheinEnergie und die Abfallwirtschaftsbetriebe zählen, sowie GAG und Grubo sollen künftig höhere Gewinne erzielen – und an die Stadt abführen. Es gibt wenig Möglichkeiten, die Neu-Gewinne zu erbringen: Die kommunalen Unternehmen können mehr einnehmen oder weniger ausgeben. Und so wird sich wohl künftig der Service verschlechtern, während Abgaben, Gebühren und Mieten steigen. Was GAG und Grubo betrifft, solle die geplante Sanierung des Wohnungsbestandes zurückgefahren werden, so Barbara Moritz, zudem sollen Standards reduziert und bei der Verwaltung gespart werden. Außerdem ist geplant, 5.000 Wohnungen im Rahmen des Programms »Mieter werden Eigentümer« zu verkaufen. Und zwei Verwaltungsgebäude dazu.

Das Tafelsilber wird verscherbelt

Natürlich ist das nicht das einzige Tafelsilber, das verscherbelt werden soll. So stehen beispielsweise die städtischen RWE-Aktien zum Verkauf. Insgesamt will die Stadt kurzfristig über 180 Millionen Euro Vermögen verzehren. Viel bleibt dann nimmer übrig: »Man müsste 2004 tatsächlich an die Stadtwerke ran, die aber das finanzwirtschaftliche Rückgrat dieser Stadt bilden«, analysierte der Grüne Fraktionsvize Jörg Frank schon während der Haushaltsdebatte 2002.

Gewerbesteuer wird nicht erhöht

Und die privaten Unternehmen? Werden auch sie stärker in die Pflicht genommen? Mitnichten. Den Gewerbesteuer-Hebesatz, seit 16 Jahren konstant, wollen CDU und Grüne nicht erhöhen. »Das«, so Jörg Frank, »stand nicht zur Debatte«. Und so wird die Gewerbesteuer dem Kämmerer wohl auch in diesem Jahr Sorgen bereiten. Eigentlich, so seine Hoffnung, sollte sie in diesem Jahr um 26 Millionen Euro ansteigen. Doch diese Erwartung hatte Soénius Ende letzten Jahres »auf Grund der katastrophalen Prognosedaten der Steuerschätzung im November nach unten korrigieren« müssen. Wie weit nach unten? Angaben dazu, beschied Soénius der StadtRevue, seien derzeit leider nicht möglich. Er wird seine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede wohl noch ein weiteres mal recyceln können.

Die Texte von Fritz Fiehler und Dieter Wellershoff sowie Auszüge aus der internen Streichliste der Kölner Verwaltung stehen in der aktuellen StadtRevue.